Süddeutsche Zeitung

Waldbrände:Australien hofft auf La Niña

Ein Jahr nach dem "schwarzen Sommer" mit verheerenden Waldbränden erlebt der Kontinent den heißesten Frühling der Geschichte, eine berühmte Touristeninsel brennt zur Hälfte ab. Hilft nun ein spezielles Wetterphänomen?

Von Thomas Hummel

Fraser Island ist wieder für Besucher geöffnet. Die Tourismusbranche auf der weltweit größten Sandinsel im Osten Australiens freut sich auf das Weihnachtsgeschäft, die Betten und Campingplätze sollen gut gebucht sein. Dabei spielte bei der Sperrung der Insel das Coronavirus ausnahmsweise keine Rolle, landesweit bewegt sich die Zahl der Neuinfektionen pro Tag im zweistelligen Bereich. Gefahr drohte auf Fraser Island vielmehr durch ein riesiges Feuer, Rauchwolken lagen über der Insel, Asche wehte bereits in Wohnsiedlungen. Angesichts der Bilder fragte sich ganz Australien: Geht das schon wieder los?

Zu Beginn der heißen Jahreszeit wecken die Bilder Erinnerungen an das, was als black summer, als schwarzer Sommer, in die Geschichte Australiens einging. Vor einem Jahr rollte eine Hitzewelle nach der anderen über den Kontinent, es kam zu nie dagewesenen Bränden, die hier Buschfeuer heißen. Wochenlang fegten Feuerwalzen vor allem über den Osten, in der Hauptstadt Canberra oder der Metropole Sydney konnte man wegen des Rauchs zeitweise kaum atmen. Am Ende starben 34 Menschen in den Flammen, geschätzt drei Milliarden Tiere verbrannten, verletzten sich oder wurden vertrieben. Eine Fläche von 19 Millionen Hektar Wald, Busch und Grasland verkohlte, eine Fläche größer als die Hälfte Deutschlands.

Und nun Fraser Island, Weltnaturerbe der Unesco, in der Sprache der Ureinwohner trägt die Insel den Namen K'gari, was so viel wie Paradies bedeutet. Durch ein illegales Lagerfeuer hatte sich im Oktober ein Waldbrand entwickelt, der außer Kontrolle geriet und nach zwei Monaten fast die Hälfte der Insel erfasste.

"Die Intensität und Größe dieses Waldbrands war außergewöhnlich", schreibt Katrin Meißner per E-Mail der SZ. Die deutsche Wissenschaftlerin leitet seit 2017 das Climate Research Center der Universität in Sydney und hat eigentlich eine gute Nachricht für die Australier, denn im Pazifik kündigt sich das Klimaphänomen La Niña an, bei dem sich durch starke Winde die Wasserzirkulation verändert. Das führt im Westen des Pazifiks normalerweise zu kühleren Temperaturen im Frühling und Sommer und zu mehr Regen. Am Ende rettete genau das wohl auch Fraser Island, ein Sturmtief mit viel Niederschlag kam den Feuerwehrleuten zu Hilfe und löschte das Feuer.

Doch trotz La Niña registrierte Australien den heißesten November seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, mehr als zwei Grad Celsius wärmer als der historische Durchschnitt. Sydney ächzte schon im Frühling unter mehr als 40 Grad. "Auch das ist sehr ungewöhnlich", erklärt Meißner. Sie gehe zwar davon aus, dass der Osten des Landes in diesem Jahr eher mit Fluten als mit Bränden zu kämpfen habe, doch "der Klimawandel sorgt hier jedes Jahr für neue Überraschungen".

Debatten über Klimawandel

Trotzdem führt das Land weiterhin grundlegende Debatten über den Klimawandel. Lange Zeit wurde der Vorgang sogar weitgehend bestritten, sowohl von den erst 2019 gewählten Regierungsparteien Liberal und National Party als auch von vielen Medien des Rupert-Murdoch-Imperiums News Corps, die weite Teile der Presselandschaft dominieren. Als der Temperaturanstieg nicht mehr zu leugnen war, hieß es, Wärme sei doch etwas Gutes. Und inmitten der größten Waldbrände der Geschichte Anfang 2020 gaben einige Medien vornehmlich Brandstiftern die Schuld an der Katastrophe - obwohl Studien belegen, dass nur zwei Prozent der Feuer von Menschen gelegt wurden und zumeist Blitzschläge das ausgetrocknete Land in Flammen setzten. Der frühere Premierminister Malcolm Turnbull forderte zuletzt in einer TV-Debatte einen bekannten News-Corps-Kommentator auf, endlich die Wahrheit auszusprechen.

Die aktuelle Regierung indes setzt weiterhin auf klimaschädliche Energiegewinnung, bald könnte der indische Konzern Adani in Queensland den größten Steinkohlebergbau des Landes eröffnen. Und als Reaktion auf die Corona-Pandemie investiert Australien Millionen in die Förderung von Erdgas.

Nur noch 8500 Koalas - statt 48 000

Auf der anderen Seite wollen die Bundesstaaten Australiens ihre CO-Emissionen bis 2050 auf null senken und erneuerbare Energien ausbauen. Umfragen zeigen, dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung die Auswirkungen des Klimawandels fürchtet. Und Petra Stock von der Umweltschutzorganisation Australian Conservation Foundation (ACF) erklärt der SZ, dass "unter führenden Organisationen aus den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft, Investment, Gewerkschaften, Soziales und Umwelt ein wachsender Konsens darüber besteht, dass Australien energische Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase ergreifen muss".

Die Natur des Landes hat derweil einiges zu tun, um sich vom schwarzen Sommer zu erholen. So seien nach Angaben des ACF die in Australien verbreiteten Eukalyptusbäume gut gerüstet gegen Feuer, sie wachsen schnell nach. Betroffene Regenwälder oder auch alpine Eschenwälder rund um den höchsten Berg des Kontinents, Mount Kosciuszko, täten sich deutlich schwerer damit.

Auf der besonders hart getroffenen Känguru-Insel vor der Küste Adelaides, einem Zentrum für Biodiversität, spürten Drohnen und Infrarotkameras kürzlich nur noch 8500 Koalas auf, ursprünglich lebten dort 48 000. Ernsthaft vom Aussterben bedroht, so meldet die ACF, sei eine winzige Beuteltiermaus, deren Lebensraum fast komplett vernichtet wurde. Auf Inseln sind Tiere besonders von Bränden bedroht, weil sie kaum ausweichen können. Deshalb blicken Forscher nun besorgt auf Fraser Island. Untersuchungen, wie groß die Zerstörung ist, beginnen dort erst.

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