Süddeutsche Zeitung

Australien:Eltern lassen behindertes Baby bei Leihmutter zurück

Lesezeit: 3 min

Ein australisches Ehepaar lässt Zwillinge von einer thailändischen Leihmutter austragen. Nach der Geburt holen sie das gesunde Mädchen zu sich, den Jungen mit Down-Syndrom aber lassen sie zurück.

  • Ein australisches Ehepaar hat eine Leihmutter in Thailand mit ihrem Baby sitzen lassen, weil es das Down-Sydrom hat. Die Zwillingsschwester nahm es zu sich.
  • Das Baby braucht dringend eine Herzoperation, die sich die Leihmutter nicht leisten kann.
  • Empörte Australier haben bereits 95 000 Euro an Spenden gesammelt.
  • Der Fall stellt generell die in Australien verbreitete Praxis infrage, Kinder durch thailändische Leihmütter austragen zu lassen.

Kein Interesse an einem behinderten Kind

Pattharamon Janbua und ihr Mann haben Schulden, als das Angebot aus Australien kommt. Etwa 8000 Euro soll die 21-Jährige dafür bekommen, sich die befruchteten Eizellen einer ihr unbekannten Frau einsetzen zu lassen und neun Monate später ein Kind auf die Welt zu bringen, dessen Mutter sie niemals sein würde. Pattharamon hört zum ersten Mal von Babys, die in Reagenzgläsern gezeugt werden. Weil sie dabei nicht mit einem fremden Mann schlafen muss, willigt sie ein. Leihmutterschaft ist in Thailand zwar nicht gesellschaftlich anerkannt, aber toleriert.

Im dritten Monat ihrer Schwangerschaft erfährt Pattharamon Jubua, dass Zwillinge in ihrem Bauch heranwachsen. Der Agent, der ihr die Leihmutterschaft vermittelt hatte, verspricht ihr einen Bonus von 1150 Euro auf ihr Honorar.

Im vierten Monat entdecken die Ärzte bei einer Routinekontrolle, dass einer der beiden Zwillinge das Down-Syndrom hat. Sie informieren das Paar, das in Australien auf seine Kinder wartet. Statt ein behindertes Kind zu bekommen, wollen sie lieber gar keines. Sie verlangen eine Abtreibung.

Pattharamon Jubua ist Buddhistin, eine Abtreibung gilt in ihrem Glauben als Sünde. Im Dezember 2013 kommen die Zwillinge auf die Welt. Nach der Geburt übergibt der Agent, der das Geschäft vermittelt hat, das gesunde Mädchen an das australische Paar. Den Jungen lässt er zurück.

Spenden und Adoptionsangebote

Als der Fall jetzt in Australien bekannt wird, löst er große Empörung aus. Der inzwischen sieben Monate alte Gammy ist wegen eines Lochs im Herzen dringend auf Operationen angewiesen, die Pattharamon Jubua nicht bezahlen kann. Nachdem die Zeitung Thai Rath über die Situation berichtet hatte, haben einige Australier die Kampagne "Hope for Gammy" gegründet, um Spenden zu sammeln. Nach elf Tagen sind aktuell mehr als 95 000 Euro eingegangen.

Auf der Internet-Seite der Kampagne hinterlassen die Spender fassungslose Kommentare. "Wie in einem Spielzeugladen haben sie das Mädchen ausgesucht und es von seinem Zwillingsbruder getrennt. Was werden sie ihm später sagen? Oh, wir haben entschieden, deinen Bruder seinem Schicksal zu überlassen?"

Zahlreiche Australier hätten inzwischen angeboten, Baby Gammy zu adoptieren, berichten mehrere australische Medien.

Fall stellt das Geschäft mit der Leihmutterschaft infrage

Das Außenministerium in Australien zeigt sich besorgt über die Berichte und berät sich mit den zuständigen Offiziellen in Thailand. Der Fall wirft ein Licht auf eine gängige Praxis, die sich bisher in einem Graubereich zwischen australischer und thailändischer Rechtssprechung abspielte.

In Australien ist es Bürgern der Staaten New South Wales, Queensland und des Australian Capital Territory eigentlich verboten, eine vergütete Leihmutterschaft im Ausland in Auftrag zu geben. Trotzdem hat es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom mit Leihmutterschaften in Thailand gegeben, schreibt der Sydney Morning Herald. Die Zeitung zitiert den Direktor der Organisation "Familien durch Leihmutterschaft" mit der Aussage, "dass Hunderte Paare aus Australien und anderen Staaten nun in einer sehr schwierigen Lage seien".

Denn die zuständigen Beamten in Thailand hatten am Mittwoch klargestellt, dass nach thailändischem Recht nur solche Leihmutterschaften legal seien, bei denen ein verheiratetes Paar kein Kind empfangen könne und deswegen ein Blutsverwandter das Kind aus "altruistischen" Motiven austrage. Jede Vereinbarung, die auf finanziellen Gründen basiere, sei iilegal. Außerdem sei es nicht erlaubt, dass ein Ausländer einer Mutter ihr Kind wegnehme und es ohne die Erlaubnis des Außenministeriums in einer anderes Land bringe.

Sam Everingham zufolge werden australische Elternpaare bereits jetzt bei der Ausreise aus Thailand nach Beweisen gefragt, dass ihre Leihmutter nicht finanziell entschädigt wurde. Außerdem ermittelt Thailand dem Sydney Morning Herald zufolge gegen Zentren für künstliche Befruchtung.

Premier Abbott will die Familie der Leihmutter unterstützen

Die Direktorin von "Leihmutterschaft Australien", Rachel Kunde, hofft, dass der "schockierende Fall" nicht zu einem Pauschalverbot von Leihmutterschaften führe. "Wir hoffen, dass dies ein positiver Schritt zu einer besseren Regulierung sein könnte", zitiert sie der australische Sender ABC. "Leihmutterschaft sollte auch in Australien einfacher zugänglich sein. Das ist doch der Grund, warum die Leute überhaupt ins Ausland gehen."

Australiens Premier Tony Abbott sprach von einer "unglaublich traurigen Geschichte". Der Fall illustriere "die Fallstricke" in diesem Geschäft. Der Familie von Pattharamon Janbua stellt Abbott Unterstützung in Aussicht. "Lasst uns sehen, was möglich ist."

Pattharamon Janbua wartet immer noch auf die noch ausstehende letzte Rate ihres Honorars, die ihr die Agentur bisher nicht gezahlt hat. Nach Angaben von ABC arbeitet sie 90 Kilometer südlich von Bangkok in einer Garküche am Straßenrand und ernährt die Familie damit. Sie habe bereits zwei Kinder im Alter von sechs und drei Jahren. Gammy lebt immer noch bei ihr. "Mir tat der Junge leid", sagt sie. "Es ist doch nicht seine Schuld. Ich liebe ihn wie meine eigenen Kinder, schließlich war er neun Monate in meinem Bauch."

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