Rautenstrauch-Joest-Museum:"Unerwartet ins Haus stehende Kamele"

Tiere, Teppiche, Röhrenfernseher: Eine Ausstellung in Köln widmet sich Staatsgeschenken. Und die sagen viel darüber aus, wie sich die Schenkenden selbst sehen.

Von Alexander Menden, Köln

Wohl noch nie hat ein einzelnes Kamel in Deutschland so viel Aufregung ausgelöst wie Assacha aus Niger. Der Präsident der westafrikanischen Republik, Seyni Kountché, hatte das Tier im November 1983 dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens als Staatsgeschenk überreicht. Dieser nahm es aber nicht mit nach Bonn, sondern schenkte es einem Waisenhaus in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Damit war die Sache aber nicht zu den Akten gelegt. Monatelang bekam Carstens' Büro Zuschriften, in denen sich Menschen nach Assacha erkundigten. Ein in Niger lebender Deutscher mahnte, in Afrika sei die Nichtannahme oder Weitergabe eines Gastgeschenks "eine schwerwiegende Beleidigung des Gastgebers". Ein Westberliner Bürger schickte - "auch für zukünftige, unerwartet ins Haus stehende Kamele" - ein Rezept, für das als Zutaten neben "einem ganzen Kamel" auch "fünf Pfund Mandeln" und "60 Eier" vorgesehen waren.

Glücklicherweise hatte der Bundespräsident das Tier nicht einfach so, sondern nach Rücksprache mit dem Kollegen Kountché weiterverschenkt, und so die logistisch und diplomatisch delikate Situation elegant entschärft. Karl Carstens wusste ja, dass Staatsgeschenke zu den traditionsreichsten Gesten zwischenstaatlicher Beziehungen gehören. Meist werden sie zu Beginn eines Staatsbesuchs ausgetauscht, als eine Art Schmiermittel für möglicherweise nicht immer leichte politische Gespräche. Und was da so alles verschenkt wird, sagt viel darüber aus, wie die Verschenkenden sich selbst sehen, und gesehen werden wollen. Die Bundespräsidenten verschenkten beispielsweise gern in Deutschland produzierte Röhrenfernseher und Stereoanlagen, Aushängeschilder der Bundesrepublik als Techniknation.

Assacha ist heute natürlich nur noch in Bildern dokumentiert; aber eine Auswahl anderer Staatsgeschenke, die außereuropäische Staatsoberhäupter von Ende der Siebziger- bis Anfang der Achtzigerjahre an die Bundespräsidenten Walter Scheel und Karl Carstens übergaben, ist nun im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen. Sie befinden sich seit 30 Jahren als Dauerleihgabe in der Sammlung des ethnologischen Museums, sind aber im Rahmen der Ausstellung "Geschenkt! - Die Gabe der Diplomatie" erstmals ausgestellt.

Manche wurden dabei offenkundig eigens für den Staatsbesuch hergestellt: Die hölzerne Schlitztrommel etwa, die auf den Cookinseln überreicht wurde, mit dem Schriftzug "Welcome, President Dr Scheel". Andere, wie Trommeln, barbusige Büsten, oder ein im Bettvorlegerstil bearbeitetes Löwenfell aus Malawi, bedienen nach Ansicht der Kuratorinnen Klischees von Afrika als "Heimat wilder Tiere, rhythmischer Musik und leicht bekleideter Körper" und seien, so glauben sie, womöglich gewählt worden, "um vom Gegenüber Entwicklungsgelder zu erhalten". Vielleicht dachte der malawische Präsident Hastings Kamuzu Banda aber auch, das Tier würde sich einfach gut im Kaminsaal der Villa Hammerschmidt machen.

Interessant ist, dass oft Dinge verschenkt werden, die westlichen Erwartungshaltungen zu entsprechen versuchen. So ist das Berbervolk der Tuareg wegen ihres grenzüberschreitendenden Nomadentums in den afrikanischen Ländern, in denen sie leben, eher unbeliebt. Dennoch bekam Karl Carstens in Niger neben dem Kamel eine von Tuareg hergestellte Schatulle; der Präsident von Mali wählte ein Jahr darauf auch ein Tuareg-Schmuckkästchen. Als folkloristische Repräsentanten kamen die Nomaden also gerade recht. Aus Samoa brachte Staatsoberhaupt Malietoa Tanumafili II. 1976 eine Holzschale mit, in der traditionell das Zeremonialgetränk Kawa angemischt wird. Sie ist vielfüßig, je mehr Füße ein Kawa-Gefäß hat, desto höher der Rang des Beschenkten.

Manche Gaben, wie eine aus Holz und Metall gefertigte Landkarte von Gabun, sind von extravaganter Geschmacklosigkeit. Andere, wie eine indianische Maske aus Kanada, oder die Kopie eines der bronzenen Ife-Häupter aus Nigeria, sind unabhängig vom diplomatischen Kontext ästhetisch ansprechend. Inwiefern dabei auch die Aura einer kulturellen Authentizität mitverschenkt wird, liegt weitgehend im Auge des Beschenkten, denn ungebrauchte Ritualgegenstände dienen als Staatsgeschenke ja nie ihrem eigentlichen Zweck. Ebenso beliebt sind als Geschenke Kleinausgaben nationaler Wahrzeichen wie die Miniatur eines Gamelan-Orchesters aus Indonesien oder ein Keramikmodell des im Original sechs Meter hohen Steinmonuments Ha'amonga 'a Mau'i auf Tonga. Eine bunte Mischung von Gegenständen also, die gemeinsam haben, dass sie der Sammlung erhalten bleiben werden. Denn selbst heute, da immer mehr Länder Artefakte zurückfordern, die zu Kolonialzeiten nach Europa kamen, sind Staatsgeschenke vor Restitutionswünschen sicher; sie wurden ja nicht entwendet, sondern eben: geschenkt.

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