Übergriffe in der Silvesternacht:Sie werden sich nur anpassen, wenn es ihnen nützt

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Silvester am Kölner Hauptbahnhof: Für sexuelle Gewalt sind nicht pauschal Flüchtlinge verantwortlich, sondern kriminelle Subkulturen. (Foto: dpa)

Für sexuelle Gewalt wie in Köln sind nicht pauschal Flüchtlinge verantwortlich, sondern kriminelle Subkulturen wie die Maghreb-Banden. Die Gegenwehr muss konsequent sein.

Gastbeitrag von Monika Frommel

Die Debatte ist verfahren. Jeder benutzt eine der vielen Geschichten über Silvester in Köln, um sich bestätigt zu sehen. Immerhin haben wir inzwischen viel über Maghreb-Banden gelernt. Das Wissen könnte helfen, nicht pauschal Flüchtlinge zu verdächtigen, sondern genauer hinzuschauen.

Es war ein Fehler, diese Banden in Köln und Düsseldorf über Jahre unbehelligt zu lassen. Nun hat die Polizei dazugelernt. Der "Karneval der Underdogs" (so der Philosoph Slavoj Zizek) wurde nur deshalb so heftig gefeiert, weil das Kontrolldefizit an Silvester in Köln für das geübte Auge dieser jungen Männer unübersehbar war. Sie kränkten "uns" bewusst, vermutlich aus einem Gefühl der Rebellion.

Rebellion ist keine Besonderheit muslimisch geprägter junger Männer, sondern eine naheliegende Reaktion, die, einmal gewählt, ihre eigene Dynamik hat. Der Netzaufruf #ausnahmslos sieht das anders. Die Teilnehmer glauben an den stetigen Anstieg sexueller Gewalt auch hier in Europa. Das ist zwar falsch, denn tatsächlich geht sie zurück. Aber die Sensibilität ist gestiegen, und das ist kein Nachteil.

Sind Flüchtlinge eher kriminell als Männer der deutschen Unterschicht?

Der Hinweis auf eine allgemeine sexuelle Repression ("Patriarchat") ist daher zu grob, antimuslimische Propaganda ohnehin verfehlt. Auch Katholiken haben nicht viel für die Gleichheit der Frauen getan, aber immerhin brachte der Katholizismus keine 'rape culture' hervor (wohl aber eine spezifische Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern). Häusliche Gewalt, Anmache und brutale Vergewaltigungen folgen völlig verschiedenen kulturellen Mustern.

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Fast alle muslimischen Kulturen sind extrem autoritär und zerfallen deshalb schnell, wenn eine gewaltsam etablierte Herrschaft angegriffen wird. Es gibt keine positiven Beispiele für gelungene Reformen nach einer Rebellion. Das alte Regime wird durch das nächste ersetzt. Auch die neuen Diktaturen haben keine funktionierende Staatlichkeit, nur Militär. Ein sinnvoller Gender-Diskurs muss daher für den praktischen Umgang mit diesen Kulturen erheblich verändert und übersetzt werden. Das bedeutet mehr als nur den bekannten Anti-Rassismus-Diskurs zum Reden über "Gender" zu addieren und dann über "kulturelle Prägung" zu räsonieren.

Sind Flüchtlinge eher kriminell als Männer der deutschen Unterschicht? Die Daten widersprechen dem. Aber die berichteten Einzelfälle stabilisieren Vorurteile. Zwar gibt es Gründe, sich in einer fremden Kultur und insbesondere im Umgang mit sexuell attraktiven Frauen völlig daneben zu benehmen und sogar die Grenze zur sexuellen Nötigung zu überschreiten. Auf den ersten Blick sind diese auch erfüllt, aber schon beim zweiten Hinsehen zeigt sich, dass es viel mehr Gründe gibt, sich konform zu verhalten. Ebenso gäbe es für junge Männer, die hier nicht arbeiten dürfen, viele Gründe, sich Geld illegal zu beschaffen.

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Aber es gibt noch mehr Gründe dagegen. Diese erklären, wieso Flüchtlinge nach den Lagebildern des Innenministeriums eher unauffällig sind. In ihrer Heimat wurden sie relativ gut sozialisiert. Daran ändert auch ihr muslimisches Umfeld nichts. Dieses sieht zwar Frauen nicht als gleichberechtigt an, trotzdem haben die Männer sicher nicht gelernt, fremde Frauen sexuell zu attackieren. Nur in Situationen des Umbruchs häufen sich dort solche Straftaten. Die Täter vertrauen dann darauf, dass die dortige Polizei sexistisch ist und Frauen nicht schützt.

Aber in Deutschland gibt es diese Mechanismen nicht. Ganz anders sieht es in Subkulturen wie den Maghreb-Banden aus. Hier sind alle Voraussetzungen erfüllt, um hemmungslos Straftaten zu begehen. Schließlich wollen die meisten wieder zurück in ihre Heimat und nur zu möglichst viel Geld kommen, um dann zu Hause besser leben zu können. Sie lernen, ohne jeden Respekt vor den Rechten anderer zu agieren. Das Problem sind nicht so sehr Herkunft, "Kultur der Ehre" oder ein zurückgebliebenes Frauenbild, sondern die Regeln dieser Subkulturen. Sie erst festigen eine hohe Aggressivität, die es normal erscheinen lässt, regelmäßig zu klauen, grapschen, betrügen und einzuschüchtern.

In den Herkunftsländern gehören solche Degradierungszeremonien nicht zur Kultur. Aber wir müssen aufpassen und mit destruktiven Lernprozessen rechnen. Sie werden zunehmen, wenn auf Dauer keine adäquate Gegenreaktion kommt. Alle bekannten kriminellen Subkulturen sind extrem patriarchal geprägt. Für diese in Gruppen gelernte Kriminalität ist es nun einmal typisch, dass man Männlichkeit nur in marginalisierter Form erreichen kann. Das Leben eines Underdog ist anstrengend. Er orientiert sich an dominanten Männern. Frauen werden in Schubladen wie Mutter, Sexobjekt oder Ehefrau/Geliebte gesteckt.

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Sie rechnen nicht damit, verfolgt zu werden

Doch die Zugehörigkeit zur Mafia verleiht diesen Männern allenfalls illegitime und prekäre Macht, die nur dann stabil bleibt, wenn immer wieder Unterwerfung aus Angst erzwungen wird. Die RAF war bislang die einzig bekannte nicht extrem männerbündische kriminelle Vereinigung. Aber auch dort dominierten Typen wie Andreas Baader. Aggressiven Männern fehlt nicht die Kenntnis der hiesigen Spielregeln im Geschlechterkontakt. Sie wissen ganz genau, dass Antanzen sexuelle Gewalt oder Raub oder beides ist. Aber sie rechnen damit, nicht verfolgt zu werden: banale Kriminalität also.

Zwar könnten Einwanderungs- und Integrationskurse dagegenhalten und feste Module zum Umgang der Geschlechter in Deutschland anbieten, aber das ist ein völlig anderes politisches Programm: Es dient der Integration. Flüchtlinge sind in einer Kultur sozialisiert worden und nicht tatgeneigt. Sie müssen lediglich lernen, wie die westliche Welt funktioniert.

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Männer der marokkanischen Subkultur in Düsseldorf und anderswo sind hingegen bereits stabil in einer kriminellen Unterwelt verankert und suchen nach ihrem Vorteil. Sie wollen sich nicht an unsere Werte anpassen, wenn sie ihnen keinen Nutzen versprechen. Zwar kennen sie das westliche Leben. Aber da sie es insgeheim verachten, müssen sie diszipliniert werden. Die Gegenwehr muss nicht hart, aber sie muss konsequent sein.

Was können Strafverfolgungsorgane und Ausländerbehörden mit kriminellen Subkulturen machen? Zunächst einmal sollte jede paradoxe Symbolpolitik vermieden werden. Neue Gesetze brauchen wir hier nicht. Aber das geltende Recht sollte angewandt werden. Dazu gehören auch das Sexualstraf- und das Ausländerrecht, um illegal hier Lebende abzuschieben. So kann präzise auf das Phänomen der Kölner "Tänzer" reagiert werden. Pauschale Verdächtigungen hingegen fördern erst Kriminalität: Wieso sich legal verhalten, wenn man ohnehin ausgegrenzt wird?

Monika Frommel, 69, ist Rechtswissenschaftlerin. Bis zu ihrer Emeritierung leitete sie das Institut für Sanktionenrecht und Kriminologie an der Universität Kiel. (Foto: oh)
© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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