Ausschreitungen nach Gruppenvergewaltigung:Indien kommt nicht zur Ruhe

"Wir wollen Gerechtigkeit": Die Frauen in Indien verschaffen ihren Forderungen Gehör. Sie gehen nach der Gruppenvergewaltigung einer Studentin weiter auf die Straße. Auch die Beschwichtigungsversuche von Regierungschef Singh haben bislang keine Wirkung erzielt.

Delhi gleicht immer mehr einer Festung, doch die Proteste gegen eine Gruppenvergewaltigung in Indien ebben nicht ab. Trotz Straßensperren und einem Verbot von Demonstrationen im Regierungsviertel gehen die Proteste weiter. Die Menschen fordern ein schnelles Verfahren gegen sechs Männer, die vor rund einer Woche eine junge Frau in Delhi brutal gequält haben sollen.

Die Demonstranten, darunter viele Studentinnen, verlangten auf Plakaten: "Wir wollen Gerechtigkeit". Sie forderten mehr Polizeipräsenz auf den Straßen und schnellere Gerichtsverfahren bei Sexualstraftaten. Ein Teil der Demonstranten radikalisiert sich zusehends. Sie forderten die Kastration oder die Todesstrafe für Vergewaltiger.

Die Demonstranten sammelten sich an diversen Plätzen Delhis, da die ganze Zone um das Wahrzeichen India Gate von Tausenden Sicherheitskräften abgeriegelt war. Der Vater des Opfers bat die Menschen, für seine Tochter zu beten. "Ich appelliere an alle, nicht zu randalieren und der Polizei zu helfen", sagte er laut der Zeitung Economic Times einem Fernsehsender.

Vergewaltigt und auf die Straße geschmissen

Auslöser für die Demonstrationen ist die Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau. Gemeinsam mit ihrem Freund stieg die 23-jährige Studentin am 16. Dezember in einen Bus, später wurde durch das Fenster auf die Straße geschmissen. Sechs Männer sollen sie zuerst vor den Augen ihres Freundes vergewaltigt und dann mit einer Eisenstange schwer verletzt haben.

Die Männer sollen betrunken gewesen sein und den nicht in Betrieb befindlichen Bus mit getönten Scheiben in Gang gesetzt haben. Sie ließen das Paar einsteigen; die Studentin und ihr Freund dachten, es handle sich um einen regulären Bus. Das Opfer liegt immer noch im Krankenhaus, die mutmaßlichen Täter sind mittlerweile in Haft.

"Grässlicher Vorfall"

Tagelang hatte sich Regierungschef Manmohan Singh nicht geäußert, nun hat er die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen. Es gebe im Land "aufrichtige und berechtigte Wut und Angst wegen dieses grässlichen Vorfalls", sagte Singh in einer Fernsehansprache. Er mahne aber "Frieden und Ruhe" an.

Weiter sagte er: "Als Vater dreier Töchter habe ich die gleichen Gefühle wie Sie", sagte Singh. "Ich versichere, dass wir alle möglichen Anstrengungen unternehmen werden, um für die Sicherheit aller Frauen im Land zu sorgen." Zu den Ausschreitungen bei den Demonstrationen sagte er, Gewalt führe nicht weiter.

Die Proteste gingen soweit, dass es sogar einen Toten gab. Im Nordosten des Landes wurde am vergangenen Sonntag ein Fernsehjournalist bei einem Protest gegen einen sexuellen Übergriff auf eine Schauspielerin erschossen. Laut Polizei starb der 36-Jährige, nachdem die Polizei in Imphal im Bundesstaat Manipur das Feuer eröffnete. Laut der Nachrichtenagentur PTI wurden fünf Polizisten suspendiert.

Der Fall der Schauspielerin hatte in Manipur zu zahlreichen Protesten geführt, die nach dem Bekanntwerden der Misshandlung der Studentin in Delhi weiter angefacht wurden. Die Darstellerin war vergangene Woche von einem bewaffneten Aktivisten einer verbotenen Rebellengruppe während einer Vorstellung von der Bühne gezogen worden. Anschließend versuchte der Täter, sie zu vergewaltigen.

Die jüngsten Proteste rückten die Häufigkeit der Gewalt gegen Frauen in Indien stärker in den Fokus. Nach offiziellen Angaben richteten sich 2011 von etwa 256.000 registrierten Gewalttaten mehr als 228.000 gegen Frauen. Delhi gilt zudem als die Stadt mit den meisten Vergewaltigungen in Indien. Offiziellen Angaben zufolge gab es in diesem Jahr einen Anstieg von 17 Prozent auf 661 Fälle. Die Rufe nach der Todesstrafe für Vergewaltiger wurden zuletzt lauter. Mehrere Minister sagten, sie würden dies prüfen.

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