Ausschreitungen bei Sportveranstaltung in Ägypten:"Das ist kein Fußball. Das ist ein Krieg"

Nach einem Fußballspiel im nordägyptischen Port Said machen Fans Jagd auf die gegnerischen Spieler. Steine und Flaschen fliegen, Feuerwerkskörper explodieren, bald gleicht das Stadion einem Hexenkessel. Am Ende der Krawalle sind mindestens 70 Menschen tot und mehr als1000 verletzt.

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A soccer fan flees from a fire at Cairo stadium

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Mindestens 70 Tote, über 1000 Verletzte, das Stadion ein Hexenkessel, ein Inferno: Das ist die traurige Bilanz der Stadion-Krawalle im nordägyptischen Port Said. Dort hatten die Fans des heimischen Teams al-Masri nach dem 3:1-Sieg am Mittwochabend gegen den Erzrivalen al-Ahly das Spielfeld gestürmt und Jagd auf die Spieler gemacht. Einige warfen mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern. Spieler und Anhänger des Gästeklubs aus Kairo flüchteten in Panik.

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Den meisten der verfolgten Spieler gelang es noch, sich in ihre Umkleidekabine zu retten. Aus ihrer Kabine riefen verzweifelte Al-Ahly-Spieler den Sport-Radiosender Modern Kora an und schlugen Alarm. "Wir sind gefangen in der Umkleide, alle Spieler wurden brutal geschlagen", sagte Verteidiger Ahmed Fathi. Minütlich wurden Verletzte in die Kabine gebracht, und Mittelfeldspieler Mohamed Abu-Treika klagte: "Das ist kein Fußball. Das ist ein Krieg, die Menschen sterben direkt vor uns. Es gibt keine Bewegung und keine Krankenwagen."

Police react as chaos erupts at a soccer stadium in Port Said city, Egypt

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Eine kleine Gruppe von Polizisten bildete eine Gasse, um die Ahly-Spieler in Sicherheit zu bringen - vergeblich. Die gegnerischen Fans traten und schlugen die Mannschaft trotz der Sicherheitsbeamten.

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Augenzeugen kritisierten nach den Ausschreitungen, die im Stadion anwesenden Sicherheitskräfte hätten nicht entschlossen eingegriffen. Trainer Ahmed Nagi sagte: "Die Sicherheitskräfte haben uns nicht geschützt, gerade ist ein Fan hier in der Umkleide vor mir gestorben." Tausende hätten verwundet in den Gängen gelegen.

Bei Protesten noch in der Nacht richtete sich die Wut von Demonstranten gegen die mutmaßliche Nachlässigkeit der Sicherheitskräfte. Vor dem Gelände des Fußballvereins al-Ahly skandierten Aktivisten aber auch Parolen, in denen der regierende Militärrat kritisiert wurde. Für Donnerstag wurde eine Demonstration vor dem Innenministerium in Kairo angekündigt.

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Badri Falgali, ein unabhängiger Abgeordneter der PP Partei aus Port Said, vermutet politische Provokateure als Anstifter: Das Chaos im Stadion spiegele nur die Unruhe in Land wieder, sagte er einem Sportsender. Wie seien überhaupt so viele Feuerwerkskörper ins Stadion gebracht worden? Wo sei die Polizei gewesen? Andere wurden noch deutlicher: Der Aktivist Gamal Eid geht davon aus, dass der Vorfall geplant war, damit möglichst viele Menschen am nächsten Tag gegen den Militärrat demonstrieren. Dieser lasse das Land "in Flammen aufgehen".

Soccer fans flee from a fire at Port Said Stadium

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Der regierende Militärrat ordnete derweil eine dreitägige Staatstrauer an, mahnte aber zur Zuversicht. "Dies wird Ägypten nicht kleinkriegen", sagte Feldmarschall Hussein Tantawi. "Solche Ereignisse passieren überall auf der Welt." Gleichzeitig kündigte der Chef des Militärrats eine Untersuchung der Vorfälle an - die Schuldigen für die blutigen Zusammenstöße sollten bestraft werden. Dem Innenministerium zufolge wurden bereits 47 Verdächtige festgenommen. Das ägyptische Parlament will laut offiziellen Angaben am Donnerstag zu einer Krisensitzung zusammenkommen.

Port Said violent clashes after soccer match

Quelle: dpa

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Die Spieler der Kairoer Fußballmannschaft al-Ahly wollen sich nach den Ausschreitungen offenbar aus dem Profisport zurückziehen. "Es ist vorbei. Wir haben alle eine Entscheidung getroffen, dass wir nie mehr wieder Fußball spielen werden", sagte Torwart Scharif Ikrami dem Fernsehsender ONTV. "Da sind Leute vor unseren Augen gestorben", sagte Ikrami, der selbst bei den Krawallen verletzt wurde. Wie könne es möglich sein, da wieder Fußball zu spielen. "Wir können überhaupt nicht daran denken."

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Al-Ahlys Ko-Trainer Oscar Elizondo sprach von politisch gefärbter Gewalt. "Es gibt viel Hass", sagte er. Das Verhalten der Polizei bezeichnete er als Schande: "Es gab 3000 Polizisten und niemand wurde verhaftet". Spieler und Trainer seien in "Militärfahrzeugen, die wie Kriegspanzer aussahen", aus dem Stadion gebracht worden.

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Das Spiel in Port Said war bereits vor Beginn von regionalen Zeitungen als "Treffen der Vergeltung" bezeichnet worden. Al-Ahly zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Fußballvereinen in Ägypten und war lange Zeit ungeschlagen. In einem Stadion in Kairo brach unterdessen ein Feuer aus, nachdem das dortige Fußballspiel als Reaktion auf die Ereignisse in Port Said abgebrochen worden war. Der Vorsitzende des Ägyptischen Fußball-Verbandes, Samir Saher, setzte die Spiele der ägyptischen Liga auf unbestimmte Zeit aus.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/AFP/afis/jobr
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