Süddeutsche Zeitung

Aufräumen nach dem Hochwasser:Sand von gestern

Ein nasser Sandsack wiegt bis zu 20 Kilo. Millionen von ihnen müssen gerade weggeschleppt werden, was aufwendig und teuer ist. Während des Hochwassers in Deutschland stapelten die Helfer sie auf die Deiche - doch nun sind viele Freiwillige in den Ferien.

Von Charlotte Frank

Es ist ein Problem mit den alten Säcken. Sie gehen aus der Form, werden unansehnlich. Sie liegen rum, erdrückt vom Gewicht ihrer schwindenden Bedeutung, und so wichtig sie waren: Heute braucht sie keiner mehr. Aber so leicht schafft man die alten Säcke nicht weg.

Mehrere Millionen Sandsäcke wurden während des verheerenden Junihochwassers auf die Elbdeiche gestapelt. Tausende Freiwillige schleppten an der Seite von Bundeswehr und Technischem Hilfswerk (THW) Sand hinauf. Aber wer schleppt ihn jetzt wieder runter? Und wer bezahlt das? Der Fluthilfefonds? Die Länder? Die Kommunen? Das ist noch unklar. Aber weil der schwere Sand langsam den Deichen schadet, muss er weg. Schnell. Mecklenburg-Vorpommern greift schon zu ungewöhnlichen Sofortmaßnahmen.

"Das Problem ist: In der Katastrophenlage findet man leicht Helfer", sagt Thomas Krimm vom THW Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg. "Aber wenn erst Ruhe eingekehrt ist, kriegt man kaum Leute." Vor allem nicht in den Ferien, wenn viele verreist sind. THW und Soldaten aber helfen nur, solange Katastrophenalarm gilt. "Danach dürfen wir nichts mehr tun."

Doch der Rückbau der Sandsäcke ist aufwendig und teuer. Ein nasser Sack wiegt bis zu 20 Kilo. Zum Abtransport braucht es wenn schon keine Menschenketten, Spezialmaschinen, die den Deich schonen. Sie fahren die Säcke zu Sammelstellen, wo sie geschreddert und gesiebt werden. "Plastik und Jute werden entsorgt, der Sand wird aufbereitet", sagt Jürgen Sahs, Geschäftsführer des Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverbands.

Zählen Sandsäcke zu den Flutschäden?

Die Gemeinde Amt Neuhaus in Niedersachsen musste 40 Kilometer Deich mit Säcken stärken. "Der Rückbau wird eine Million Euro kosten", schätzt Sahs. Nach der Flut von 2002 hätte das Arbeitsamt ihm dafür noch ABM-Kräfte vermittelt. "Diesmal gibt es dafür keinen", sagt er. Also beauftragte die Gemeinde eine Firma mit dem Rückbau. "Wir hoffen, dass wir das Geld aus dem Hilfsfonds zurückkriegen", sagt Sahs. Aber sie wissen es nicht.

Der Sonderfonds Aufbauhilfe, dem der Bundesrat am Freitag zugestimmt hat, soll Bürgern und Kommunen mit acht Milliarden Euro bei der Beseitigung der Flutschäden helfen. Aber sind Sandsäcke Schäden? Wird ihr Rückbau bezahlt? Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es dazu, die Verordnung, die solche Details regle, sei noch in der Abstimmung.

Dadurch, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums in Schwerin, sei "der Rechtsrahmen unklar". Allein in Westmecklenburg liegen noch 500 000 Säcke, für ihren Abtransport rechnet das Ministerium mit 750.000 Euro. Zu viel, um zu riskieren, auf den Kosten sitzen zu bleiben, finden sie im Nordosten. Also setzen sie wieder auf Freiwillige - und auf Behördenmitarbeiter: Neben den Bürgern sind die Beamten des Landkreises Ludwigslust-Parchim aufgerufen, am Deich zu arbeiten, sowie die Kollegen im Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg. Deren stellvertretender Leiter Frank Müller packt seit Donnerstag an der Elbe mit an. Immerhin er gewinnt dem Einsatz Gutes ab: "Bisher habe ich die Flut nur vom Schreibtisch aus gemanagt. Es ist gut zu wissen, wie das praktisch ist."

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SZ vom 06.07.2013
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