Auflösung von Rockerklub in Hannover:"Ich bin und bleibe ein Hells Angel"

Die Hells Angels Hannover, die mächtigste Motorradgang Deutschlands, haben sich aufgelöst. Ob damit auch kriminelle Aktivitäten im Rockermileu weniger werden, bleibt abzuwarten. Eine zentrale Figur hat sich so jedenfalls elegant aus der Schusslinie gebracht.

Hans Leyendecker und Ralf Wiegand, Hannover

Es war, so heißt es, eine einfache, basisdemokratische Versammlung von 60 Mitgliedern am vergangenen Dienstag, an deren Ende ein spektakulärer Beschluss stand: Die Hells Angels Hannover, für Ermittler die mächtigste Ortsgruppe der Rocker in Deutschland, lösen sich auf. Am Mittwoch legten die Höllenengel der niedersächsischen Landeshauptstadt ihre Kutten ab und nahmen gleich auch noch die Website vom Netz - die ist jetzt "not available".

Hells Angels in Hannover lösen sich auf

"Ohne Kutte sind sie nichts Besonderes mehr": Am Mittwoch verkündete das einflussreiche Hannoveraner Charter der Hells Angels seine Auflösung.

(Foto: dpa)

Die Auflösung des am 12. November 1999 gegründeten H.A.M.C. Hannover, wie der Verein heißt, ist mit einer aufsehenerregenden Personalie verbunden. Präsident des Clubs war Frank Hanebuth, 47, angeblich der oberste Hells Angel des ganzen Landes. "Die Auflösung ist kein Fake", sagte Hanebuth der Süddeutschen Zeitung, "das Charter wird es auch in einem Jahr nicht mehr geben." Rückkehr also ausgeschlossen?

Für die Polizei und die Politik, die immer wieder ein bundesweites Verbot der in regionalen Chartern - Ortsvereinen - organisierten Hells Angels diskutiert, stellt der Rückzug Hanebuths nun womöglich ein echtes Problem dar. Man kann den Kopf der Schlange nicht abhauen, wenn die Schlange keinen Kopf hat, lautet schon eine der Regeln des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Und der Kopf der Schlange namens Hells Angels, der die Sicherheitsbehörden organisierte Kriminalität im großen Stil unterstellen, ist angeblich der Ex-Boxer Hanebuth. Über ihn und seinen Verein hofften die Ermittler, eine bundesweite Vernetzung aller Hells-Angels-Charter und deren Zugehörigkeit zur Organisierten Kriminalität beweisen zu können. Und jetzt?

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, mahnte bereits, die kriminelle Neigung der Rocker könnte auch ohne Verein fortbestehen: "Es steht zu befürchten, dass manche ehemaligen Mitglieder in den Untergrund gehen, um dort neue Strukturen aufzubauen." Und Untergrund bedeutet schwer zu kontrollierendes Gebiet für die Polizei mit ihren verdeckten Ermittlungen und Razzien.

Erst im Mai hatte der Hannover-Chef der Höllenengel Besuch von einem Einsatzkommando der GSG9 bekommen. Die Spezialbeamten seilten sich von einem Helikopter auf Hanebuths Privatgrundstück ab, traten ein Tor ein, erschossen einen sechs Monate alten Hirtenhund und beschlagnahmten Material, mit dem die Ermittler Hanebuths Verstrickungen in kriminelle Geschäfte belegen wollen, auch außerhalb Niedersachsens. Hanebuth selbst bestreitet jeden Einfluss auf andere Hells-Angels-Gruppen als die eigene - die in Hannover.

"Ohne Kutte sind sie nichts Besonderes mehr"

Diese allerdings war ihm sehr wichtig. Hanebuth sah man nie anders als mit der Kutte seines Clubs, die allerlei Aufnäher als Insignien seiner Macht trug. Damit ist nun Schluss, er wird er auf eine Lederjacke ohne Patches umsteigen. "Angels forever, forever Angels" - das Vereinsmotto gilt so nicht mehr, auch wenn Hanebuth am Donnerstag der SZ sagte: "Ich bin und bleibe ein Hells Angel." Die Rechtsform als Verein ist passe.

Unter Politikern und Sicherheitsbehörden herrscht nun die Meinung vor, Hanebuth habe seinen Motorradverein aufgrund des wachsenden Ermittlungsdrucks abgemeldet - und um einem Verbot durch das niedersächsische Innenministerium zuvorzukommen. Dass eine solche Maßnahme bevorstand, deutete der Innenminister des Landes, Uwe Schünemann (CDU), jüngst im Parlament auf seine spezielle Weise an. Indem er sagte, ein solchen Verbotsverfahren werde "keinesfalls vorher angekündigt", sondern, sobald dem Rockerclub kriminelle Aktivitäten zugewiesen werden könnten, "ganz sicher ohne Vorankündigung" erfolgen, warnte er die Hells Angels deutlich. Acht Tage später löste sich der Club jetzt auf.

"Hells Angels wieder schneller als der Innenminister", spotteten die Grünen im Landtag und vermuteten, Hanebuth wolle durch diesen Schritt nur das Vereinsvermögen retten. "Vereinsvermögen gibt es nicht", sagte Hanebuth der SZ indes, "das war doch alles nur gemietet."

55 Charter zählte die Website der Hells Angels für Deutschland am Donnerstag noch auf, inklusive Hannover, hinter sechs stand allerdings der Zusatz "closed" für geschlossen, hinter anderen "under construction", im Umbau. Das sind offenbar die Codes für laufende oder bereits abgeschlossene Verbotsverfahren etwa in Hamburg, Frankfurt, Kiel, Köln oder Berlin. Vor zwei Wochen hatte sich das Charter Potsdam selbst aufgelöst. Weltweit aber nimmt die Zahl der Hells-Angels-Clubs zu, mehr als 350 gibt es derzeit. Im Juni gründeten sich Klubs im brasilianischen Porto Alegre und im polnischen Breslau. Hells Angels treffen sich in Maryland/USA ebenso wie in Malta: ein globales Netzwerk.

Gravierende Einschnitte für die Rocker

Für den Leitenden Kriminaldirektor Thomas Jungbluth, 55, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, bedeuten die Verbote und Auflösungen hier zu Lande aber gravierende Einschnitte für die Rocker: "Ohne Kutte sind sie nichts Besonderes mehr."

Es herrschte andererseits eine berechenbare, straffe Ordnung im Milieu, was auch die Polizei zur Kenntnis nahm. Vor allem in Niedersachsen, bemerkte die innenpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Meta Janssen-Kurz, am Donnerstag, "gab es eher den Eindruck von einer Art friedlicher Koexistenz zwischen dem Verein und der Polizei". Seitdem aber am 17. März 2010 ein Mitglied der Hells Angels in Rheinland-Pfalz einen SEK-Beamten durch eine geschlossene Tür erschossen hat und dann auch noch wegen putativer Notwehr freigesprochen wurde (er hatte geglaubt, die Bandidos stünden vor seiner Tür), geht der Staat härter gegen die Rocker vor.

Vor allem der Druck auf Hanebuth wuchs. "Völlig zu Recht wird er in den Medien als König vom Steintor bezeichnet", schrieb schon im Jahr 2000 eine Soko OK Garbsen, die sich mit Hanebuth und den Rockern beschäftigte. Das Steintor ist das Amüsierviertel Hannovers. Götz von Fromberg, Hanebuths Anwalt, hatte damals auf den OK-Schlussbericht so geantwortet: "Er (Hanebuth) weiß spätestens seit diesem Bericht, dass er nichts Gutes, noch nicht einmal Objektivität oder gar Gerechtigkeit zu erwarten hat, jedenfalls nicht von den ermittelnden Polizeibeamten." Jetzt hat er sich erst mal selbst aus der Schusslinie genommen.

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