Süddeutsche Zeitung

Auf der Suche nach einem "echten Hitler":Schtonk!

Nach den Tagebüchern jetzt Aquarelle: In Cornwall wird angebliche Hitler-Kunst versteigert.

Alexander Menden

Lostwithiel in Cornwall ist bisher nicht als internationales Kunsthandelszentrum aufgefallen. Doch am Dienstagnachmittag fanden sich in dem kleinen westenglischen Ort nicht nur Fernseh-Crews ein, sondern auch Sammler, unter anderem aus Südafrika, Russland und den USA. Sie hatten nur ein Ziel: die Ersteigerung eines "echten Hitlers". Die einzelnen Werke brachten bis zu 15600 Euro ein.

Tatsächlich tragen 21 Landschaftsbilder die Signatur "A. Hitler" oder "AH". Das Auktionshaus Jefferys erstand die Werke von einer "älteren Dame aus der Gegend von Le Quesnoy", die anonym bleiben möchte. Der Legende nach malte Hitler sie dort, während er gegen Ende des Ersten Weltkriegs als Gefreiter an der Grenze zwischen Belgien und Nordfrankreich stationiert war.

So zeigt eines der Bilder angeblich die Kirche von Bousies, ein anderes den Sambre-Oise-Kanal bei Ors. Jefferys spricht vorsichtig davon, die ungelenken Aquarelle würden Hitler "zugeschrieben" und versucht so, Fragen nach ihrer Echtheit vorzubeugen. Die ist höchst umstritten, denn Jefferys beruft sich unter anderem auf eine Expertise des Münchners August Priesack. Der mittlerweile verstorbene Kunstexperte wurde 1983 bekannt, als er von Konrad Kujau gefälschte Hitler-Gemälde als echt identifizierte. Auch die in Cornwall angebotenen Werke - angeblich 1919 in einer versiegelten Kiste deponiert und 1986 wiederentdeckt - wurden von Priesack authentifiziert.

Britische Experten sehen die Landschaftsansichten hingegen als Fälschungen an, die in ihrer Plumpheit dem Stil des gescheiterten Postkartenmalers in nichts nachstehen: Die impressionistischen Anklänge in Darstellung von Kirchlein und Bäumen könnten niemals von einem pedantischen Nachzeichner wie Hitler stammen. Dem Interesse an der Auktion hat das angesichts des gierigen Marktes für Hitler-Memorabilien keinen Abbruch getan.

Es ist allerdings kein Zufall, dass die großen Auktionshäuser den Handel mit Nazi-Kunst gerne Provinzhäusern wie Jefferys überlassen. Kritikern, die den sensationalistischen Charakter der Auktion als unappetitlich bezeichnen, begegnet Auktionator Ian Morris mit dem Argument, Hitler sei, als er sie malte, "nur ein einfacher Weltkriegssoldat" gewesen. Paul Newgrass vom Vorstand der Synagoge von Exeter hält die Auktion hingegen für einen "Schlag ins Gesicht der Familien von Holocaust-Opfern". Jean Allom, Witwe eines 1943 abgeschossenen Piloten aus Lostwithiel, sagte: "Nur ein Idiot" könne derlei ersteigern.

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Quelle:
SZ vom 27. September 2007
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