Anschlag in Sikh-Tempel in Wisconsin:Pentagon identifiziert Todesschützen

Fallschirmspringer, Experte für psychologische Kriegsführung, hochdekorierter Ex-Soldat: Nach dem Anschlag auf einen Sikh-Tempel in Wisconsin mit sechs Toten haben die Behörden den mutmaßlichen Todesschützen identifiziert. Die Ermittler prüfen nun, ob der 40-Jährige aus rassistischen Motiven handelte.

"So etwas sollte nirgends passieren", sagt Jatinder Mangat. Der 38-Jährige gehört selbst der Religion der Sikh an, sein Onkel, der Präsident der Glaubensgemeinschaft in Oak Creek, wurde bei dem Attentat schwer verletzt. Auch einen Tag nachdem ein Unbekannter in dem Gotteshaus in einem Vorort von Milwaukee sechs Menschen erschossen und weitere verwundet hat, sind nur wenige Einzelheiten über die Hintergründe der Bluttat bekannt. Doch dass die Gewalt nicht irgendwo passiert ist, sondern in einem ihrer Tempel, sorgt für Spekulationen bei den Sikh.

"Jeder hier denkt, dass es natürlich ein Verbrechen aus Hass war", zitierte die New York Times Manjit Singh, der einen Tempel in der Nähe des Tatorts besucht. Gläubige berichteten dem Blatt, sie hätten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine zunehmende Antipathie gegenüber ihrer Religionsgemeinschaft festgestellt. Insbesondere die Sikh-Männer, die ihre Haare unter dem Turban traditionell lang tragen und sich Bärte wachsen lassen, erinnern optisch an Muslime. "Nur weil sie einen Turban sehen, denken sie, dass du Taliban bist", zitiert das Blatt Ravi Chawla, eine Geschäftsfrau aus der Region.

Und die Mutmaßungen der Gläubigen scheinen sich im Laufe des Montags zu bestätigen: Bei dem mutmaßlichen Todesschützen handelt es sich nach Angaben des Pentagon um den Ex-Soldaten Wade Michael Page. Der 40-Jährige war demzufolge von 1992 bis 1998 in der US-Armee, zuletzt stationiert am Stützpunkt Fort Bragg in North Carolina. Er hatte eine Ausbildung als Fallschirmspringer und war auf psychologische Kriegsführung spezialisiert. Für seine vorbildliche Führung und seine Leistungen als Soldat sei er mit mehreren militärischen Orden ausgezeichnet worden, hieß es.

Die Ermittler gehen Hinweisen nach, wonach der Mann Anhänger rassistischer Theorien war. "Wir ermitteln in diese Richtung", sagte ein Sprecher der US-Behörde für Waffen, Tabak und Sprengstoff (ATF) dem Sender ABC. "Und wir untersuchen die Bedeutung seiner Tätowierungen. Dies sind die Bestandteile des Puzzles, die uns dabei helfen werden, die Motive für eine so schreckliche Tat zu verstehen."

Täter soll 9/11-Tätowierung gehabt haben

Augenzeugen hatten zuvor US-Medien berichtet, der Verdächtige, ein weißer, glatzköpfiger Mann, sei mit einer schwarzen Hose und einem weißen T-Shirt bekleidet gewesen. Auf einem Arm habe er ein "9/11"-Tätowierung getragen - möglicherweise zum Gedenken an die Anschläge vom 11. September.

Seit 9/11 ist es in den USA immer wieder zu Übergriffen auf Sikh gekommen: Nach Angaben der in Washington ansässigen Sikh Coalition wurden in den vergangenen elf Jahren mehr als 700 Gewaltdelikte gegen Angehörige der Glaubensgemeinschaft verzeichnet. Im September 2001 war im US-Bundesstaat Arizona ein Sikh von einem Mann erschossen worden, der nach eigenen Angaben Rache für die Anschläge der radikal-islamischen al-Qaida üben wollte.

Der Sikhismus ist eine im 15. Jahrhundert in Indien entstandene monotheistische Religion. Sie hat weltweit 27 Millionen Anhänger, die weitaus meisten leben im nordindischen Punjab. In den USA gibt es schätzungsweise 500.000 Sikhs.

Nach bisherigen Erkenntnissen stürmte der Unbekannte am Sonntagvormittag auf das Gelände der Religionsgemeinschaft in Oak Creek und eröffnete das Feuer auf die Gläubigen. Zwei Menschen starben vor dem Tempel, vier weitere Todesopfer fand die Polizei später im Inneren des weitläufigen Gebäudes. Zum Tatzeitpunkt sollen sich dort bis zu 100 Sikh aufgehalten - das es nicht noch mehr Opfer gab, ist möglicherweise den Polizisten zu verdanken, die zuerst vor Ort waren.

Während ein Beamter selbst verwundet wurde, als er versuchte, Verletzten zu helfen, gelang es seinem Kollegen, den Schützen niederzustrecken. Neben dem Polizisten befanden sich am Montag nach Behördenangaben noch zwei weitere Personen in kritischem Zustand.

Nach dem Vorfall evakuierte die Polizei einige Häuser in einem weiteren nahegelegenen Vorort. Dabei wurden vier Blocks in dem Ort Cudahy abgesperrt, der nur wenige Kilometer von dem Tempel entfernt liegt. Bei der Evakuierung war nach Angaben einer Polizeisprecherin auch ein Bombenentschärfungskommando vor Ort. Warum dieses gerufen wurde, führte die Sprecherin allerdings nicht aus.

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