Attentäter von Norwegen:Gutachter erklären Breivik für zurechnungsfähig

Der Massenmörder Anders Behring Breivik ist geistig gesund. Das ist das Ergebnis eines neuen rechtspsychiatrischen Gutachtens. In einer ersten Untersuchung war der norwegische Attentäter für nicht zurechnungsfähig erklärt worden. Diese Einschätzung hatte in Norwegen heftige Proteste ausgelöst.

Als Anders Behring Breivik in Oslo eine Autobombe zündete und anschließend auf der Insel Utøya ein Blutbad anrichtete, handelte er in vollem Bewusstsein seiner Taten. Das ist das Ergebnis einer neuen rechtspsychiatrischen Untersuchung. Breivik sei geistig gesund, heißt es in dem Gutachten, das am Dienstag beim zuständigen Gericht in Oslo eingereicht wurde. Es muss nun von den Richtern geprüft werden. Details sollen bis zum Prozessbeginn am kommenden Montag nicht veröffentlicht werden.

Im November hatten zwei vom Gericht beauftragte Gutachter den norwegischen Attentäter zunächst wegen "paranoider Schizophrenie" für unzurechnungsfähig erklärt. Diese Einschätzung hatte heftige Proteste ausgelöst, insbesondere bei Überlebenden und Hinterbliebenen von Opfern. Auch Experten hatten das erste Gutachten in Frage gestellt - es sei zu oberflächlich und wenig überzeugend.

Das neue psychiatrische Gutachten zum Geisteszustand des 33-Jährigen hat Auswirkungen auf Verlauf und Ausgang des Prozesses: Sollte Breivik für schuldfähig erklärt werden, könnte er bei einer Verurteilung ins Gefängnis kommen. Bei Unzurechnungsfähigkeit würde er dagegen vermutlich in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden. Es liegt aber ganz bei den Richtern, welchem Gutachten sie folgen. Alle Rechtspsychiater werden gegen Ende des Verfahrens noch einmal in den Zeugenstand gerufen; möglicherweise werden nun auch noch weitere Namen auf die Zeugenliste gesetzt.

Noch fordert die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift Breiviks Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Allerdings wurde diese Forderung von Anfang März unter Vorbehalt formuliert, so dass die Anklage bis kurz vor den Plädoyers umschwenken und - wie die Verteidigung - auch eine Gefängnisstrafe fordern kann.

Breivik sieht sich als politischen Aktivisten

Der rechtsradikale Norweger Breivik hatte am 22. Juli 2011 bei einem Bombenanschlag im Regierungsviertel von Oslo und bei einem anschließenden Massaker auf der Insel Utøya insgesamt 77 Menschen getötet. Die meisten Opfer waren Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, die auf Utøya an einem Sommerlager der norwegischen Jungsozialisten teilnahmen.

Die zuvor im etwa 40 Kilometer entfernten Oslo gezündete, selbstgebaute Autobombe sollte die Polizei vor dem geplanten Massaker auf der Ferieninsel ablenken. Hier kamen acht Menschen ums Leben. Die Explosion verwandelte Teile der Innenstadt in eine Trümmerlandschaft. Auch das Büro von Ministerpräsident Jens Stoltenberg wurde völlig verwüstet.

Breivik selbst hat stets bestritten, geistesgestört zu sein. Er hat die Taten zugegeben - sieht sich jedoch als politischen Aktivisten und hält sich deshalb für nicht schuldig. In seinem Geständnis bezeichnete der 33-Jährige die Morde als "grausam, aber notwendig". Als Tatmotiv gab der rechtsradikale Attentäter Hass auf den Islam und die in Norwegen regierenden Sozialdemokraten an. Seine Tat plante er nach eigenen Angaben neun Jahre lang. Vor dem Massaker stellte er ein 1500-seitiges Manifest ins Internet, das sich unter anderem gegen "Kulturmarxismus" und die Einwanderung von Muslimen richtet.

Um das Weltbild ihres Mandanten zu stützen und seine Zurechnungsfähigkeit zu belegen, wollen die Anwälte des Massenmörders im Prozess auch norwegische Islamisten aussagen lassen. Das Verfahren gegen Breivik soll am 16. April beginnen. Die erste Woche ist für die Aussage des Angeklagten reserviert. Die Staatsanwälte wollen Breiviks Aussage allerdings auf das begrenzen, was für den Prozess relevant ist.

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