Süddeutsche Zeitung

Attentat in den USA:Schüsse im Massagesalon

Ein 21-Jähriger soll im US-Bundesstaat Georgia sieben Frauen und einen Mann getötet haben. Die meisten Opfer waren asiatischer Abstammung. Der Verdächtige bestreitet jedoch einen rassistischen Hintergrund der Tat.

Von Hubert Wetzel

Bei einem Amoklauf in der Nähe von Atlanta sind in der Nacht zu Mittwoch acht Menschen erschossen worden. Da sechs der Todesopfer asiatischstämmige Frauen sind, gab es zunächst die Befürchtung, dass es sich bei der Bluttat um einen rassistisch motivierten Terrorakt gehandelt haben könnte. Bei der Vernehmung des mutmaßlichen Schützen - einem 21 Jahre alten Mann aus dem Großraum Atlanta - hat dieser nach Angaben der Polizei jedoch ein politisches Motiv bestritten und von einer Sexsucht gesprochen. Am Mittwoch wurde er wegen Mordes in acht Fällen angeklagt. Er muss sich zudem wegen schwerer Körperverletzung in einem Fall verantworten.

Der Amoklauf begann am Dienstagnachmittag in einem asiatischen Massagesalon in Acworth, einem Vorort im Nordwesten von Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates Georgia. Der Schütze tötete dort vier Frauen, die allesamt asiatischer Abstammung waren. Eine Dreiviertelstunde später überfiel der Attentäter dann in Atlanta zwei weitere Massagesalons. Dabei erschoss er vier weitere Personen - zwei weitere asiatischstämmige Frauen, eine weiße Frau sowie einen weißen Mann.

Viele Massagesalons sind de facto Bordelle

Danach floh der Attentäter in seinem Auto aus der Stadt. Etwa 150 Meilen südlich von Atlanta wurde er von Polizisten gestellt und gefasst. Dass er dabei keinen Widerstand leistete und sich keine Schießerei mit der Polizei lieferte, deutet zumindest darauf hin, dass er den Amoklauf nicht in suizidaler Absicht begonnen hatte.

Massagesalons sind in vielen US-Bundesstaaten legal, weil sie offiziell eine erlaubte Dienstleistung anbieten. In Wahrheit sind viele dieser Betriebe, die sich auch "Spas" nennen, allerdings de facto Bordelle. Die Salons, die der Attentäter in Atlanta überfiel, lagen in einer Gegend, die als eine Art Rotlichtbezirk bekannt ist. Der Attentäter war eventuell Kunde in den Salons, die er überfallen hat. Er habe angegeben, an einer Sexsucht zu leiden und in der Vergangenheit selbst Massage-Salons besucht zu haben, sagte ein Sprecher der Polizei in Cherokee County. Der Verdächtige, der offenbar noch weitere Attacken begehen wollte, habe die Massage-Salons als eine "Versuchung" gesehen, die er habe unterdrücken wollen. "Er hatte gestern einen sehr schlechten Tag", sagt ein Polizeivertreter am Mittwoch über den Schützen. "Und dann hat er das gemacht."

Ob das der Wahrheit entspricht oder nur eine Ausrede ist, müssen die Ermittlungen zeigen. Unbestritten ist, dass die Morde von Atlanta auf den ersten Blick durchaus an das Massaker von El Paso im August 2019 erinnern. In der texanischen Stadt hatte damals ein Bewaffneter einen Supermarkt der Kette Walmart überfallen, der vor allem von Kunden aus dem benachbarten Mexiko sowie US-amerikanischen Latinos besucht wurde. Das Motiv des Angreifers war damals Rassismus. Er habe, so sagte er aus, Mexikaner töten und die USA vor "Invasoren" aus dem Süden retten wollen.

Derartige Aussagen sind von dem Atlanta-Attentäter bisher nicht bekannt. Die Polizei hat lediglich seinen Namen, sein Alter und seinen bisherigen Wohnort bekannt gegeben sowie ein Foto veröffentlicht. Danach handelt es sich bei dem Schützen um einen 21-Jährigen namens Robert Aaron L., der in Woodstock gelebt hat, einem überwiegend von Weißen bewohnten Mittelklasse-Vorort von Atlanta. Eine Nachbarin beschrieb ihn Medien gegenüber als religiös.

Seit Beginn der Pandemie gab es in den USA 3800 Angriffe auf asiatische Amerikaner

Asiatischstämmige Amerikaner sind vor allem wegen der Corona-Pandemie verstärkt zum Ziel von Anfeindungen und Diskriminierung geworden. Organisationen, die die Interessen asiatischstämmiger Amerikaner vertreten, meldeten im vergangenen Jahr einen drastischen Anstieg von rassistisch motivierten Übergriffen.

Nach Angaben der Kampagne "Stop AAPI Hate" gab es seit März 2020 etwa 3800 rassistische Attacken auf asiatische Amerikaner, etwa ein Zehntel davon waren tätliche Angriffe. Das, so der Vorwurf, habe auch an einem aufgeheizten politischen Klima gelegen, in dem Menschen aus Asien die Schuld an der Pandemie gegeben wurde. Tatsächlich hat der frühere Präsident Donald Trump kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um zu betonen, dass das Virus aus China in die USA gekommen ist. Er sprach demonstrativ vom "China-Virus".

Trumps Nachfolger Joe Biden sagte am Mittwoch im Weißen Haus, er habe wegen der Tat mit dem Justizminister und dem Direktor des FBI, telefoniert. "Die Frage der Motivation ist noch zu klären." Unabhängig davon wisse er aber, dass asiatischstämmige Amerikaner wegen der seit der Pandemie zunehmenden Gewalt gegen die Bevölkerungsgruppe "sehr, sehr besorgt" seien. Biden hatte bei einer Fernsehansprache in der vergangenen Woche ein sofortiges Ende der Hassverbrechen gegen asiatischstämmige Amerikaner gefordert, die zu Sündenböcken gemacht würden. Diese Taten seien "unamerikanisch".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5238519
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/olkl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.