Atheisten auf Bustour:Wenn Gottlose auf Touren kommen

Religionsgegner, die zum Atheismus bekehren wollen, reisen mit ihrem Bus durch Deutschland. Eine christliche Fahrgemeinschaft kreuzt ihre Wege.

Renate Meinhof

Im Grunde müssten sie die Plätze tauschen, die beiden Fahrer. "Der Tino" aus dem Christenbus kommt aus Zwickau in Sachsen und glaubt nicht an Gott. Auf seinem Bus steht: "Und wenn es ihn doch gibt . . . Gottkennen.de". Wie er da sitzt, ein Monolith, der aus schmalen Augen lächelt, sieht er aus, als habe seine Mutter ihn 1979 genau auf diesen Platz geboren, links vorn, damit er 30 Jahre später den Christenbus durch Deutschland lenken soll. "Mit an Sischerheit grenzender Wohrscheinlischkeit", sagt der Tino langsam, "werde isch hier nisch bekehrt." Er lacht. Dabei geht es um Himmel und Hölle.

Atheisten auf Bustour: Ein Bus, der für Aufsehen sorgt.

Ein Bus, der für Aufsehen sorgt.

(Foto: Foto: dpa)

"Der Björn" kommt aus Dortmund und ist Katholik, aber nur auf dem Papier. Er fährt den Bus der Atheisten, einen roten Doppeldecker aus Berlin, auf dem steht: "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott. Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben." Letzte Woche, als er in Münster stand, kam eine Frau ans Fahrerfenster. Aufgebracht wirkte sie, verletzt. "Junger Mann, wie können Sie nur solch einen Bus fahren?", fragte sie. Da hat der Björn gesagt: "Hinters Steuer setzen. Gas geben. Fahren."

Der Björn, der den Eindruck hinterlässt, als habe ihm im Leben nie irgendwer irgendwas geschenkt, wird am Ende der Tour 2000 Euro auf der Hand haben. Das ist schon der Himmel. Wen schert da die Hölle?

Atheismus als Botschaft

Regen auf dem Mannheimer Bahnhofsvorplatz. Er wetzt die Pflastersteine zwischen den Straßenbahnschienen zu Glanz. Er gräbt den Hastenden ohne Schirm einen angespannten Zug ins Gesicht. Dass die Schminke nur nicht verläuft, dass der Anzug nicht knittert. Sie hasten vorbei an den beiden Bussen, die sich gegenüberstehen, und die mehr trennt als drei Paare Schienen für die ratternde Tram.

Sieben Menschen aus Berlin waren es, die die "Atheistische Buskampagne" in Deutschland organisiert haben. Dass man sehr gut ohne ein höheres Wesen glücklich durchs Leben gehen kann, dafür wollen sie werben. Das Vorbild kommt aus Großbritannien. "There is probably no God", so stand es auf Londoner Doppeldeckern, und mit ähnlichen Aufschriften fuhren Busse in ganz Europa durch Städte. Über ihre Internetseite haben die sieben Gottlosen in kurzer Zeit so viele Spenden zusammenbekommen, dass es möglich war, bei Verkehrsbetrieben in ganz Deutschland anzufragen, ob sie Busse, mit atheistischer Werbung beklebt, eine Zeitlang durch die Städte fahren lassen.

Es kamen aber 17 Absagen, meist mit der Begründung, man lasse weltanschauliche Werbung generell nicht zu. Also haben sie sich für die Tour durch Deutschland einen eigenen Bus und den Björn gemietet, haben das Fahrzeug beklebt, eine Spezialfolie noch drüber, falls man sie "mit Scheiße bewerfen" würde, wie eine Drohung es verhieß. Aber es wirft niemand mit Dreck.

"Und? Kriegt ihr was in die Fresse?", ruft eine Frau dem Björn durch den Regen zu. "Nö", sagt der Björn.

Die Christen fahren hinterher

Der Bus der Christen hat sich einfach angehängt. "Wir begleiten die andern nur", sagt Ingmar Bartsch, "wir verfolgen sie ja nicht." Bartsch ist ein in seiner Fülle unerschütterlich wirkender Pastorensohn, der bei "Campus für Christus" arbeitet. Er ist die ganze Tour dabei. Man habe den Atheistenslogan doch so nicht stehenlassen können, als Christ doch nicht. "Für mich ist das eine Fügung Gottes, dass wir das hier so schnell noch hingekriegt haben", sagt er.

Ein sächsischer Unternehmer habe die Miete für den Bus und den Tino bezahlt, und, natürlich, die Tour habe schon etwas Missionarisches. Nun gehört Mission zum Urauftrag der Christen. "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker", heißt es im MatthäusEvangelium. Aber Bartsch scheut das Wort. Es hat den Beigeschmack halbnackter Holznegerpuppen, die einst in Kirchen standen und ergeben nickten, wenn Kollektenmünzen aufs Tellerchen fielen. Danke sagt die Afrika-Mission.

"Kommen Sie doch noch mal aus dem Bus raus, ganz locker", ruft der Kameramann vom Hessischen Rundfunk, und Ingmar Bartsch kommt noch einmal aus dem Bus raus, für die Schnittbilder. Der Tino öffnet die vordere Tür. "Uuund . . . action!", sagt er. "Die Tour, das is schon ne escht coole Geschischte."

Die Atheisten haben mit der Mission keine Probleme. Sie bauen ihr Schriftentischchen vorm Bus auf, und wenn Passanten diskutieren wollen über das, was da Gottloses auf dem Bus steht, bekommen sie ein wortgewandtes Gegenüber. Der abgelehnte Gott ist in Mode. Wer mit den Leuten der Buskampagne durch Deutschland fährt, erlebt eine neue Generation von Skeptikern und Freidenkern, die sich der Religion entgegenstellen.

Und anders als zu Nietzsches oder Feuerbachs Zeiten haben sie das Internet, das in Windeseile ihre Botschaften bereitstellt, und über das sich, zum Beispiel, große Spendenbeträge sammeln lassen. Richard Dawkins, der Evolutionsbiologe aus Oxford, wurde zum Vordenker all jener, die Religion für nichts als ein gefährliches Gift halten, das für Gewalt und Unfreiheit auf der Welt verantwortlich ist. Dawkins Buch "Der Gotteswahn" findet reißenden Absatz.

Nicht nur großes Interesse

In Deutschland gibt es die Giordano Bruno Stiftung, benannt nach dem Mann, der 1600 in Rom als Ketzer auf dem Scheiterhaufen endete. Von Mastershausen im Hunsrück aus versucht sie, alle diejenigen zusammenzuführen, denen Kirche und Glaube abhandengekommen sind. Als der Atheistenbus in Frankfurt Station machte, hatte die Stiftung mit den örtlichen "Säkularen Humanisten" eine Veranstaltung organisiert. Michael Schmidt-Salomon, eifernder Sprecher der Stiftung, wirkt, wenn er redet, als gefalle er sich sehr mit Sätzen wie diesem: "Es ist einfach sexy, Humanist zu sein."

Er will einen Zentralrat der Nichtkonfessionellen, damit in Rundfunkräten und Ethikkommissionen auch die Stimme der Nichtgläubigen gehört werde. Rund ein Drittel aller Deutschen sei konfessionslos. Aber was sollte diese Humanistenstimme denn eigentlich sagen?

Vieles geht an diesem Abend in Frankfurt durcheinander. Nach Art von Jehovas Zeugen wird die Bibel buchstabengläubig zitiert, als hätte es die Textkritik ganzer Theologengenerationen nicht gegeben. Der Gott des Alten Testaments wird mit dem des Neuen durcheinandergeworfen. Geschunden sei der Mensch unter der Last der Religion, kein Wort vom Gedanken der Gottesebenbildlichkeit. Aber die Säkularen sind unter sich, kein Christ, der sich wünschen könnte, der Herr möge mit Feuer dazwischenfahren, ein Zeichen setzen. Ein merkwürdiger Humanismus ist das, denkt man, der das zutiefst menschliche Bedürfnis nach Glauben wie einen Dämon verdammt, das Fragen, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts.

"Gott hat einfach einen ganz schlechten PR-Berater", ruft Michael Schmidt-Salomon am Ende und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Alle klatschen. Dann fährt er weiter, der Doppeldecker aus Berlin.

Aber in Mannheim ist der Christenbus schon vor dem Atheistenbus am Bahnhof. Ein Herr vom Internationalen Gideonbund verteilt längst das Neue Testament mit den Psalmen, als die Atheisten ankommen. Ingmar Bartsch sitzt im Christenbus und schaut durch die Regenfäden rüber auf die andere Seite. "Wenn die merken, dass wir recht haben", sagt er, "dann haben die nach dem Tod ein Problem." Die Trambahn rattert dazwischen.

"Sie meinen, wegen der Hölle?"

"Na ja", sagt Bartsch.

Der Tino lächelt.

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