Süddeutsche Zeitung

Gesellschaft:Irgendwie asiatisch

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Nach dem Erfolg von "Everything Everywhere All at Once": Die diesjährige Oscar-Verleihung wurde als Triumph von Künstlern aus Fernost gefeiert - aber was bedeutet das eigentlich?

Von David Pfeifer, Bangkok

Es lohnt sich, von der anderen Seite der Welt auf die diesjährige Verleihung der Academy Awards zu blicken, denn viele Gewinner kamen aus ... ja, woher eigentlich? "Die Repräsentanten Asiens hatten einen historischen Abend mit dem Oscar-Gewinn von ' Everything Everywhere All at Once' schrieb das US-Branchenblatt Variety. Daniel Kwan sei "erst der zweite Asiate, der den Regie-Oscar gewinnen konnte, nach Bong Joon-ho für seinen Film ,Parasite'." Kwan allerdings ist US-Amerikaner, Bong wurde in Südkorea geboren. Asiatisch sein ist im Westen also eine sehr viel gröbere Kategorie als in Asien selber. Niemand käme auf die Idee, die Europäer für "Im Westen nichts Neues" zu bejubeln.

Was in dem Zusammenhang manchmal vergessen wird: Asien ist ein sehr großer Teil der Welt, äußerst divers und dicht bevölkert. So gab es auch für die etwa 1,4 Milliarden Inderinnen und Inder einen Grund zu feiern: den ersten Oscar für das Lied "Naatu Naatu". Das führte zu Freudentänzen in Delhi, unter anderem beteiligten sich die Mitarbeiter der deutschen Botschaft an einer Dance Challenge zum Filmhit.

Verhaltener fiel der Jubel in Vietnam aus, obwohl Ke Huy Quan, Gewinner in der Kategorie Beste männliche Nebenrolle, sogar seine persönliche Geschichte thematisierte: "Ich habe ein Jahr in einem Flüchtlingslager verbracht und bin trotzdem irgendwie hier auf Hollywoods größter Bühne gelandet." Die Nachrichten in Vietnam verwiesen aber stets darauf, dass Ke Huy Quan zwar in Ho-Chi-Minh-Stadt geboren wurde - allerdings in eine Familie, die aus China stammt. Er war einer der 1,5 Millionen Menschen, die nach dem Ende des Vietnamkriegs vertrieben wurden. Die Kommunistische Partei, die Vietnam bis heute regiert, wird ungern an diese Episode erinnert und bewertete Ke Huy Quans Sieg entsprechend zurückhaltend.

In China wiederum war die Preisträgerin Michelle Yeoh, 60, zum Star geworden, zur Boomzeit des Hongkong-Actionkinos, an der Seite von Jackie Chan. Auf diese Verbindung wies die South China Morning Post hin, und auf den Aspekt, dass Yeohs Rolle in "Everything Everywhere All at Once" eigentlich für Jackie Chan geschrieben worden war. Auch für Chan hätte es also die späte Krönung seines Lebenswerks werden können, nachdem er in den USA lange gefragt worden war, woher er so gut Karate kann - das traditionell aus Japan kommt ("Ich bin Chinese. Es ist Kung-Fu!").

Allerdings spricht Yeoh, genau wie Ke Huy Quan, Mandarin wegen der chinesischen Wurzeln ihrer Familie. Geboren wurde sie in Malaysia, wo nun überlegt wird, einen Feiertag zu ihren Ehren einzurichten. "Sie ist ein sehr fleißiges Mädchen, jeder weiß das", sagte Yeohs Mutter, 84, auf einer Pressekonferenz vor einem Poster ihrer Tochter, auf dem stand: "Stolz von Malaysia".

Derweil hat Michelle Yeoh das Richtige getan und sich nicht vereinnahmen lassen: "Für all die kleinen Jungen und Mädchen, die so aussehen wie ich, ist dies ein Leuchtfeuer der Hoffnung und der Möglichkeiten." Während in den einzelnen Ländern also genau hingesehen wird, wer da was für wen gewonnen hat, macht Yeoh allen Menschen Mut, die nicht so aussehen, wie Menschen bisher in Hollywood-Filmen meistens ausgesehen haben. Und das gilt nicht mal nur für Asiaten.

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