Süddeutsche Zeitung

Aschewolke:Schwefel im Cockpit: Pilot klagt über Übelkeit

Auf einem Frankreich-Flug klagt ein Pilot über Schwefelgeruch und Übelkeit. Indessen werden Details zu Abstürzen der vergangenen Jahre bekannt - und ein Zwischenfall in Amsterdam.

Die Fluggesellschaft Air France untersucht einen Vorfall, der sich auf einem Inlandsflug ereignete und womöglich im Zusammenhang mit dem Vulkanausbruch auf Island steht: Der Pilot einer Passagiermaschine, die vom südfranzösischen Perpignan nach Paris unterwegs war, hatte über Schwefelgeruch im Cockpit und Übelkeit geklagt. Die Maschine landete am Sonntag dennoch planmäßig in Paris, teilte die Fluggesellschaft mit.

Da der Geruch nur im Cockpit festgestellt worden sei, hätten die Passagiere nichts bemerkt. Es habe auch keine technischen Auffälligkeiten gegeben. Der Vorfall ereignete sich über dem Zentralmassiv im Süden des Landes. Air France betonte, dass zunächst keine Verbindung zur Vulkanasche nachgewiesen werden konnte. Die Untersuchung dauerte am Dienstag noch an.

Während die Asche aus dem Gletschervulkan weiter in südöstlicher Richtung auf das europäische Festland zuweht, ist für Europas Flugverkehr indessen weiter kein Ende der Probleme in Sicht: Im Süden Spaniens und auf den Kanarischen Inseln wurden am Dienstagmorgen sieben Flughäfen gesperrt.

Wie die spanische Luftfahrtbehörde Aena mitteilte, stellten die Airports in Sevilla, Jerez, Badajoz, die beiden Flughäfen auf Teneriffa sowie die Airports von La Palma und La Gomera am Morgen den Betrieb ein. Wann der Flugverkehr wieder vollständig aufgenommen werden kann, stand zunächst nicht fest.

Möglicherweise könnten sich am Mittwoch Auswirkungen für Süddeutschland ergeben, warnte der Deutsche Wetterdienst.

Wie das Meteorologische Institut in Reykjavik mitteilte, haben die Explosionen im Krater des Eyjafjallajökull zum Wochenbeginn wieder leicht zugenommen. Das habe zu verstärkter Aschebildung mit einer Wolke geführt, die Höhen von fünf bis sechs Kilometer in der Atmosphäre erreichte. Anwohner südlich des Gletschers haben wieder mit den Folgen von kräftigem Ascheniedergang zu kämpfen.

Air-France-Maschine machte vor Absturz kehrt

Unterdessen sind Details zu zwei Flugzeugabstürzen aus den vergangenen beiden Jahren bekanntgeworden.

So hat die im vergangenen Jahr unter mysteriösen Umständen über dem Atlantik abgestürzte Air-France-Maschine kurz vor dem Unglück möglicherweise kehrtgemacht. Die letzten Berechnungen zum wahrscheinlichen Absturzort zeigten, dass der Pilot um 135 Grad vom vorgegebenen Kurs zwischen Brasilien und Frankreich abgewichen sei, teilte die französische Behörde für die Aufklärung von Flugunfällen (BEA) in Paris mit.

Die Airbus-Maschine mit der Flugnummer AF447 war am 1. Juni 2009 auf einem Nachtflug von Rio nach Paris ins Meer gestürzt. Dabei kamen alle 228 Menschen an Bord ums Leben, unter ihnen 28 Deutsche.

Aus welchem Grund der Pilot eine Kehrtwende gemacht haben sollte, ist unklar. In französischen Medien wurde spekuliert, dass der Pilot möglicherweise einer Unwetterfront ausweichen oder wegen technischer Probleme zum Abflug-Airport zurückkehren wollte.

Über die genaue Unglücksursache können nur die Flugschreiber Aufschluss geben. Nach Monaten erfolgloser Suche hatte die französische Marine vergangene Woche gemeldet, dass sie ihre Lage auf fünf Kilometer genau ermittelt habe. Ob die sogenannten Black Boxes jetzt tatsächlich geborgen werden können, ist aber offen. Ihre Peilsender sind inzwischen verstummt, und in dem Bereich ist das Meer bis zu 3600 Meter tief und stark zerklüftet.

Das norwegische Schiff Seabed Worker, das zwei unbemannte U-Boote und einen Tauchroboter an Bord hat, werde das Gebiet vermutlich bis Mittwoch abgesucht haben, sagte Troadec. Wenn bis dahin nichts gefunden sei, könne man den Radius aber noch einmal ausweiten.

In Spanien sind indessen die letzten Worte des Piloten einer anderen Unglücksmaschine veröffentlicht worden. "Heb ab! Los, heb ab! Scheiße." Diese Sätze waren zuletzt im Cockpit der Spanair-Maschine zu hören, die am 20. August 2008 unmittelbar nach dem Start auf dem Madrider Flughafen abstürzte und 154 Menschen in den Tod riss, darunter die Cockpitbesatzung. 18 Passagiere überlebten schwer verletzt.

Der spanische Radiosender Cadena SER und andere Medien veröffentlichten am Montag die Tonbandaufzeichnung. Die Aufnahme des Flugschreibers endet mit einem verzweifelten Schrei des Kopiloten. Die Maschine vom Typ MD-82 war bei dem Unglück vor gut 20 Monaten nur wenige Meter von der Erde abgehoben, dann mehrmals auf den Boden aufgeschlagen und in einem Flusstal neben der Startbahn in Flammen aufgegangen.

"Es tut mir leid, Kleine"

Aus der Tonband-Aufzeichnung geht hervor, dass neben dem Piloten und dem Kopiloten eine dritte Person im Cockpit des Unglücksjets war. Dabei könnte es sich um einen Piloten gehandelt haben, der nicht im Dienst war, berichtete das staatliche Fernsehen TVE. Dieser "dritte Mann", dessen Identität nicht bekannt sei, hatte starke Zweifel an der Arbeit der Techniker geäußert, die vor dem verunglückten Start der MD-82 einen überhitzten Sensor mit Eiswürfeln gekühlt hatten. "Das ist Flickschusterei!", empörte sich der Unbekannte. Der Kopilot, der beim Start am Steuer saß, entgegnete: "Das kann man wohl so machen."

Das Tonband dokumentiert nach diesen Angaben ferner, dass die Besatzung ein Alarmsignal ignorierte. "Wie kann man dieses verdammte Ding abstellen?", fragte der Pilot.

Der Kopilot hatte nach den Aufzeichnungen kurz vor dem Start noch seine Freundin angerufen, die ihn auf dem Zielflughafen in Las Palmas de Gran Canaria abholen wollte: "Es tut mir leid, Kleine. Es gab hier ein Problem, aber jetzt ist alles geregelt, und wir können losfliegen." Zu seinen Kollegen sagte er dann: "So ein Mist, ausgerechnet wenn meine Freundin kommt, haben wir Verspätung."

Die Ermittlungen über die Ursachen des Unglücks sind noch nicht abgeschlossen. Nach einem vorläufigen Expertenbericht sollen die Piloten es versäumt haben, die Vorflügel und Klappen auszufahren, die dem Flugzeug beim Start mehr Auftrieb geben sollen. Die Maschine hätte von Madrid nach Gran Canaria fliegen sollen. Unter den Opfern waren auch mehrere Urlauber, darunter eine vierköpfige Familie aus Bayern.

Die Pilotengewerkschaft SEPLA und die Berufsvereinigung COPAC protestierten gegen die Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen. Damit werde gegen das Prinzip der Vertraulichkeit verstoßen und bei den Piloten Misstrauen geschürt, betonten sie.

Die spanische Justiz ermittelt wegen der Katastrophe gegen zwei Techniker, die vor dem Start die Sicherung für einen defekten Außentemperaturfühler entfernt und das Gerät damit außer Betrieb gesetzt hatten. Mehrere Angehörige von Opfern verklagten den Boeing-Konzern, der den Flugzeughersteller McDonnell Douglas übernommen hatte. Nach ihrer Ansicht hatte das Unternehmen nicht genug getan, das Unglück zu verhindern.

Stichflamme im Motor

Glimpflich ging dagegen am Montag ein Zwischenfall auf dem Flughafen von Amsterdam aus: Dort ist am Montagabend ein Passagierflugzeug kurz vor dem Start wegen einer Stichflamme und Rauchentwicklung im Heck evakuiert worden. Die 183 Fluggäste verließen die Maschine der niederländischen Gesellschaft Transavia über die Sicherheitsrutschen. Dabei wurden zwei Passagiere leicht verletzt.

Das Flugzeug sollte vom Flughafen Schiphol zum portugiesischen Ferienort Faro starten. Die Ursache für die Flamme in einem Hilfsmotor der Boeing 737 werde noch untersucht, sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft. Die Passagiere übernachteten in Hotels oder fuhren wieder nach Hause. Sie sollten heute mit einer anderen Maschine nach Faro fliegen. Der Flugverkehr auf Schiphol sei durch den Zwischenfall nicht beeinträchtigt gewesen, sagte ein Airport-Sprecher.

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