Artenschutz:Waljäger auf Stimmenfang

Ungewöhnliche Mitglieder kann die Inter-nationale Wahlfangkommission seit kurzem verzeichnen. Entwicklungsländer ohne Meeres-anschluss, Karibikstaaten ohne Interesse am Walfang treten bei. Sie verkaufen ihre Stimmen im Austausch gegen Entwicklungshilfe der Walfang-Lobbyisten.

Von Sabina Griffith

Im Mai dieses Jahres war Ungarn der Vereinigung beigetreten, in der vergangenen Woche folgten Belgien und Mauretanien. Über mangelnden Zulauf kann sich die Internationale Walfangkommission (IWC) also derzeit nicht beschweren.

Damit ist die Zahl der Länder, die sich der Internationalen Konvention zur Regulierung des Walfangs angeschlossen haben, auf 56 gestiegen. Und der Ansturm scheint ungebrochen. Auch Südsee-Staaten wie Kiribati und Tuvalu haben ihr Interesse an dem internationalen Gremium bekundet und Beobachter ins italienische Sorrent entsendet, wo das IWC in dieser Woche tagt.

Das frisch erwachte Interesse von Südseeinsulanern und Donauanrainern, von Staaten also, die weder selbst Wale jagen noch kommerziellen Handel mit dem Fleisch der Meeressäuger betreiben, ist kein Zufall. In Sorrent soll es in diesem Jahr um alles oder nichts gehen, um die Frage also, ob der kommerzielle Walfang nach Jahren des Moratoriums wieder zugelassen wird.

Rückschrittt zu einem "Club der Walfänger"

Theoretisch könnte das Moratorium sogar kippen, auch wenn die japanische Delegation am gestrigen Montag in ersten Abstimmungen über Verfahrensfragen mit 29 zu 24 Stimmen deutlich unterlag. "Das wäre ein Rückschritt der IWC in Zeiten, als man diese Organisation den 'Club der Walfänger' nannte", kommentiert Sue Fisher, Sprecherin der internationalen Wal- und Delfinschutzorganisation, WDCF.

Das Jagen und Töten von Walen aus kommerziellen Gründen ist seit 1982 offiziell verboten. Doch vor allem Japan und Norwegen unterwandern dieses Verbot konsequent, erstere berufen sich dabei auf Artikel acht der Internationalen Konvention, der den Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken unter strengen Voraussetzungen erlaubt.

Bis zu 1000 Tiere, darunter Nördliche Zwergwale, Seiwale und Finnwale, sterben jedes Jahr als vermeintliche Forschungsobjekte durch die Harpunen japanischer Walfänger. Der Japanische Botschafter in Berlin, Toshiro Iljima, beschwörte zwar jüngst in der Süddeutschen Zeitung (19.7.) die auf diesem Wege gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Gleichzeitig gilt Walfleisch in Japan weiterhin als hoch geschätzte und lukrative Delikatesse. Und das, obwohl des Fleisch hochgradig mit Schwermetallen belastet ist.

Suche Walfgang-Stimme, biete Entwicklungshilfe

Im Tausch gegen ihre Pro-Walfang-Stimme haben nach Angaben der WDCS diverse Staaten, darunter Antugua, Baruda, Benin, Elfenbeinküste, Ghana, Mauretanien, Mongolei, Nicaragua, Palau und die Solomon Inseln finanzielle Zuwendungen aus der japanischen Staatskasse erhalten.

1999 hatte sich die tschechische Delegation über den seitens Japan auf sie ausgeübten Druck empört. Den Mitgliedern sei nach WDCS-Angaben Geld geboten worden, um bei den geheimen Abstimmungen gegen die Weisungen der eigenen Regierung für Walfanginteressen zu stimmen.

Die "Walwerbung" der Japaner könnte sich in nicht allzu ferner Zukunft auszahlen. Im vergangenen Jahr in Berlin hatten sich gerade mal neun IWC-Mitglieder offen für eine Aufhebung des Fangverbots ausgesprochen. Derzeit stehe es 28 zu 28, berichtet WDCS-Sprecher Nicolas Entrup aus Sorrent. Sollte das Moratorium gar kippen und damit die Wale wieder zum Abschuss freigegeben werden, wären viele Arten bedroht.

Beobachten statt töten

Gefährdet sind dabei nicht nur die von der IWC berücksichtigten Großwale, sondern alle der weltweit rund 80 Walarten. Auch in den Meeren vor der deutschen Küste sind die Wale nicht sicher. Der rund 1,50 Meter lange Schweinswal, die einzige in der deutschen Nord- und Ostsee heimische Walart, steht inzwischen ebenfalls auf der roten Liste der IWC.

Ungeachtet vom Ausgang der Abstimmung blicken die Walexperten in diesen Tagen mit Sorge nach Grönland. Weil die Eingeborenen dort die kulturelle Bedeutung des traditionellen Walfangs belegen konnten, wird die IWC der Abschussquote von 400 Tieren pro Jahr statt geben müssen.

Doch sind insbesondere die Finnwal-Populationen vor Grönland vom Aussterben bedroht. "Wir haben keinerlei verlässliche Daten, wie viele Tiere es in dieser Region überhaupt noch gibt", klagt Nicolas Entrup von der WDCS.

Wahlbeobachtung als lukrativer Wirtschaftszweig

Ein Beipiel dafür, dass ein lebendiger Wal mitunter mehr Wert ist als ein toter, kommt paradoxerweise aus der Walfangnation Island. Nach dem Jagd-Stopp von 1989 hat sich der Walbeobachtungstourismus zu einem lukrativen Wirtschaftszweig entwickelt, der aus der isländischen Ökonomie nicht mehr wegzudenken ist.

Trotzdem schaffte es die Walfanglobby, die isländische Regierung dazu zu bewegen, die Walfangaktivitäten wieder aufzunehmen. Allein im vergangenen Jahr wurden 36 nördliche Zwergwale getötet, unter dem Vorwand wissenschaftlicher Fragestellungen.

Neben den Verhandlungen um die Fangquoten werden sich die Experten auf der diesjährigen IWC-Tagung in Sorrent auch noch mit anderen drängenden Problemen beschäftigen. Vor dem im vergangenen Jahr in Berlin gegründeten "Erhaltungsausschuss" etwa wird es in erster Linie um die Frage der vom Menschen verursachten Umwelteinflüsse wie Meeresverschutzung, der zunehmende Lärm unter Wasser und den ungewollten Beifang in der Fischereiindustrie gehen.

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