Süddeutsche Zeitung

Sexuelle Gewalt:Frauen werfen Nobelpreisträger Óscar Arias Übergriffe vor

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Von Peter Burghardt

Wenn man vor Jahren den Politiker Óscar Arias in seiner Residenz in Costa Rica besuchte, dann schien man auf eine moralische Autorität zu treffen. Gut, der Gastgeber litt nicht gerade unter Minderwertigkeitskomplexen, aber er hatte ja auch einiges zu bieten. Der Sozialdemokrat war zum zweiten Mal Präsident seines Landes geworden, einer der friedlichsten und ökologisch fortschrittlichsten Demokratien Lateinamerikas. Und für seine Vermittlung in den Bürgerkriegen Mittelamerikas hatte er 1987 den Friedensnobelpreis bekommen.

Doch jetzt, mit 78, steht Óscar Arias unter Verdacht: Mehrere Frauen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor.

Erst hat ihn eine 35 Jahre alte Ärztin und Aktivistin wegen Vergewaltigung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Arias habe sich ihr 2014 in seinem Haus in San José von hinten genähert, ihr an die Brüste gefasst, sie mit den Fingern penetriert und sie geküsst, so die Frau. Die damals 30-Jährige arbeitete für eine Organisation, die sich für die Abschaffung von Nuklearwaffen einsetzte, in dieser Funktion war sie bei Arias.

"Ich sagte ihm nein, und er sei doch verheiratet. Das war das einzige, was mir zu sagen einfiel." Als Arias nicht reagiert habe, habe sie gar nicht mehr gewusst, was sie sagen solle, "weil ich Angst hatte, dass er nicht mit uns zusammenarbeiten würde, wenn ich ihn zurückweise."

Arias weist die Vorwürfe "kategorisch zurück"

Öffentlich machte sie ihre Schilderungen und die Strafanzeige in den Zeitungen Seminario Universidad und New York Times. Óscar Arias wehrt sich in bisher knappen Sätzen. Er weise die Vorwürfe "kategorisch zurück", teilte er mit. Er habe nie den Willen einer Frau missachtet, erst recht nicht, wenn es um ihre Freiheit gehe, eine Beziehung mit einer anderen Person zu haben. Er werde sich vor Gericht verteidigen und keine Kommentare mehr zum Thema abgeben.

Die Klägerin sagte der New York Times, sie habe sich von der Bewegung #MeToo inspiriert gefühlt. Im Zuge mehrerer Vergewaltigungsklagen gegen den US- Filmproduzenten Harvey Weinstein machen auf der ganzen Welt Frauen sexuelle Gewalt publik, vorher hatten viele Opfer aus Scham, Angst und wegen fehlender Unterstützung geschwiegen.

Nun also Óscar Arias. Auch er wäre gemäß jener Version ein Mann, der seine Macht oder sein Ansehen missbraucht hätte. Bis zu einem Urteil gilt natürlich auch für den Friedensnobelpreisträger die Unschuldsvermutung. Man müsse sein Recht auf Verteidigung garantieren, sagt Laura Chinchilla, die Arias' Amt 2010 übernommen hatte, sie war Costa Ricas erste Präsidentin.

Allerdings melden sich nun auch andere Frauen zu Wort. Die heutige Mediendirektorin der Menschenrechtsvereinigung Human Rights Watch, Emma Daly, berichtete der Washington Post, Arias habe sie 1990 in einem Hotel in Managua an den Brüsten berührt, als sie als Reporterin in der Region unterwegs gewesen war. Eine andere Journalistin sagte der Zeitung La Nación in Costa Rica, Arias habe sie vor 35 Jahren begrapscht. Sie habe das damals nicht angezeigt, weil ihr niemand zugehört hätte. Wenn man sie jetzt vor Gericht rufe, werde sie aussagen.

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SZ vom 07.02.2019 / p
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