Ariane Friedrich outet Verfasser obszöner Mail:Digitaler Gegenschlag, maximale Verletzung

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"Es ist Zeit, mich zu wehren": Auf Facebook bekommt die deutsche Hochspringerin Ariane Friedrich von einem anderen Nutzer eine anzügliche Mail inklusive obszönem Bildanhang. Die Sportlerin geht in die Offensive und outet den Absender mit Klarnamen und Wohnort, ebenfalls in dem sozialen Netzwerk. Doch damit verletzt sie nicht nur rechtliche Grundsätze - sie geht weiter.

Bernd Graff

Es ist ein Gegenangriff der digitalen, der vernetzten Art. Ein Angriff, der heftig diskutiert wird und sowohl Bewunderung wie schärfste Kritik hervorgerufen hat. Die prominente Sportlerin Ariane Friedrich, sie ist deutsche Rekordhalterin im Hochsprung und gerade in Vorbereitung ihrer Olympia-Teilnahme, ist offenbar in einer Facebook-Mail sexuell belästigt worden.

Als Kämpferin präsentiert sich Hochspringerin Ariane Friedrich im Leichtathletik-Stadion - und auch im Privaten lässt sich die 28-Jährige nichts gefallen: Einen Mann, der ihr eine obszöne Email geschrieben haben soll, hat sie jetzt im Internet mit Klarnamen und Wohnort geoutet. (Foto: REUTERS)

Die 28-jährige Athletin erhielt wohl die eindeutigen Fotos eines Mannes, begleitet von Obszönitäten, die offensiv und deutlich zu nennen sind. Ariane Friedrich, sie ist studierte Polizeikommissarin, veröffentlichte diese interne Facebook-Benachrichtigung daraufhin am 16. April unter Nennung des vollen Namens des Absenders samt seines Wohnorts auf ihrer offen zugänglichen Facebook-Seite.

Das hat den besagten Diskussionssturm ausgelöst, dessen Ausmaß allein schon zeigt, dass eine Facebook-Seite, die einer erfolgreichen Olympionikin zumal, keine Hinterstube im privaten Freundeskreis ist, sondern breite Öffentlichkeit: Frau Friedrich hat den Mann an den Pranger gestellt.

"Super reagiert, Frau Friedrich!"

Die Reaktionen sind gespalten. Zwar gibt es Befürworter: "Super reagiert, Frau Friedrich!", "Vollkommen richtig, solche Leute offen auszuschreiben." Doch die Gegenposition ist ebenfalls stark vertreten. Und sie bezweifelt, dass der Netz-Pranger legitim ist. Friedrichs Kritiker erinnern unter anderem daran, dass erst vor drei Wochen im "Mordfall Lena" in Emden die Offenlegung der persönlichen Daten eines Unschuldigen zum Aufruf von Lynchjustiz geführt hat. Sie diskutieren, ob eine Anzeige des Mannes nicht völlig ausreichend gewesen wäre.

Während Friedrichs Ursprungs-Veröffentlichung seit dem 16. April zwar schon an die 2000 zustimmende "Likes" von anderen Facebook-Nutzern erhalten und mehr als 400 Kommentare provoziert hatte, nahm die Debatte erst richtig Fahrt auf, als die Athletin sich am Samstag - auch bei Facebook - in einem weiteren Beitrag dafür rechtfertigte.

"Liebe Followers", heißt es da, "ich habe mir eure Kommentare sehr genau durchgelesen. Natürlich ist es ein großer Schritt, solch eine unverschämte Email öffentlich zu machen - aber es ist nicht das erste Mal, dass Mich persönlich so eine Email erreicht. Es gibt einfach einen Punkt, an dem Schluss ist. Anzeigen zu stellen, ist natürlich immer der richtige Weg, den ich zusätzlich gehen werde. Ich bin allerdings nicht mehr bereit, mich doppelt zum Opfer zu machen und stets zu schweigen - ich bin es schlicht leid. (...) Ich wurde in der Vergangenheit beleidigt, sexuell belästigt, und einen Stalker hatte ich auch schon. Es ist Zeit, zu handeln, es ist Zeit, mich zu wehren. Und das tue ich."

Der Wind hat sich gedreht

Friedrichs zweite Mitteilung erhielt innerhalb von zwei Tagen an die 2500 "Likes" und mehr als 2000 Kommentare. Und hier nun hat sich der Wind gedreht. Viele Nutzer fragen, ob denn gewiss sei, dass die obszöne Nachricht zweifelsfrei von dem Mann stamme, den die Sportlerin bloßgestellt hat - falls nicht, hätte sie sich wohl der üblen Nachrede strafbar gemacht. Gefragt wird auch, wie es all den Namensvettern des Denunzierten nun gehe. Ob das nicht Selbstjustiz sei, was die Kommissarin da betreibe, die qua Amt ja auch eine Vorbildfunktion hat. Schließlich: Man zweifelt an der Medienkompetenz von Frau Friedrich.

Ihr Trainer und Manager, Günter Eisinger, ist am Telefon hörbar genervt. Es klingele permanent, sagt er. Und es gehe allen Anrufern nur um die Facebook-Einträge, niemand interessiere sich mehr für den Trainingsstand der Athletin, die doch in Kürze in London antreten müsse. Ja, man habe inzwischen Klage bei der Staatsanwaltschaft in Ariane Friedrichs Heimat eingereicht. Nein, sie selbst wolle dazu nichts mehr sagen. Auch er nicht: Die Staatsanwaltschaft habe allen geraten, fürderhin den Mund zu halten.

Wie man Eisingers Erregung entnimmt, spricht indes einiges dafür, dass Ariane Friedrich noch nicht verstanden hat, dass ihre Facebook-Seite, die sonst Katzenbilder und Fotos von "Kartoffelgratin Dauphinois aus dem Eberstädter Radieschen" enthält, tatsächlich öffentlich zugänglich ist und eben nicht nur von ihrem kleinen Kreis an unmittelbaren Facebook-Freunden eingesehen werden kann. Wirklich jeder kann und konnte da (Stand: Montagabend) mitschreiben und beliebige Bilder einstellen. Besäße die Sportlerin Medienkompetenz, hätte sie ihre Facebook-Einstellungen längst korrigiert.

Der einzige Satz, den ihr Trainer Günter Eisinger als Zitat zulässt, lautet: "Wir raten allen Nutzern von Facebook, sorgsam damit umzugehen." Diesen Rat ihres Trainers benötigt Ariane Friedrich als Erste.

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