Argentinien:Nazi-Plunder in Buenos Aires entdeckt

A bust of dictator Adolf Hitler among other Nazi artifacts seized in the house of an art collector is on display in this undated Handout photograph, in Buenos Aires

Diktatoren-Kitsch aus der NS-Zeit in einem argentinischem Hinterzimmer - ob es sich um Fälschungen handelt, ist noch unklar.

(Foto: Reuters)

Auf der Suche nach Schmuggelkunst findet die Polizei in einem argentinischen Trödelladen Nazi-Devotionalien. Nun ermittelt Interpol gegen den Antiquitätenhändler.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Als die argentinische Polizei vor gut einer Woche in die Räume eines Trödelhändlers im Norden von Buenos Aires eindrang, war sie chinesischer Schmuggelkunst auf der Spur. Tatsächlich fanden die Ermittler in einem Hinterzimmer wertvolle Antiquitäten chinesischen und ägyptischen Ursprungs. Darüber hinaus entdeckten sie aber auch noch 75 Objekte, die sie gar nicht gesucht hatten: eine Sammlung von Relikten aus dem Nationalsozialismus: Hitlerbüste, ein Reichsadler auf einem Marmorsockel, Pistolen, Degen, Lupen, Mundharmonikas, fast alles mit Hakenkreuzen, sowie einen Apparat zur Bestimmung von Kopfgrößen.

Der Besitz des Diktatorenkitschs ist in Argentinien nicht strafbar

Noch ist nicht einwandfrei geklärt, ob es sich dabei um Originale oder Fälschungen handelt, Argentiniens Innenministerin Patricia Bullrich deutete aber an, dass die bisherigen Ermittlungen auf die Echtheit der Relikte schließen lassen. Laut Bullrich wurde auch das Negativ eines Foto gefunden, das Adolf Hitler möglicherweise mit einer der Lupen zeigt, die sich unter den nun beschlagnahmten Gegenständen befindet. Dieses Bild wurde bislang aber nicht veröffentlicht, weil es sich um das wichtigste Beweisstück handeln könnte.

Auch Interpol ermittelt nun gegen den 55-Jährigen Antiquitätenhändler. Der behauptet, die Objekte vor über zwei Jahrzehnten einem Argentinier abgekauft zu haben, er befindet sich, weil der Besitz selbst nicht strafbar ist, weiterhin auf freiem Fuß. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte er, zu seiner Sammlung gehörten unter anderem auch "kunstvolle Dildos aus der russischen Zarenzeit".

Weltweit sorgen aber bloß die Nazi-Devotionalien für Aufsehen. Die Bild-Zeitung berichtete auf ihrer Titelseite von einem "Sensations-Fund". Auch in der Onlineausgabe des britischen Guardian rangierte die Nachricht vom "Nazi-Schatz" zwischenzeitlich ganz oben, Brexit hin oder her. Die argentinischen Zeitung La Nación, die das Thema Ende vergangener Woche mit einem recht nüchternen Text über die Razzia aufgebracht hatte, berichtete in ihrer Mittwochsausgabe vor allem über das weltweite Echo ihrer Nachricht.

Wo sich Opfer und Täter nach dem Weltkrieg wiedertrafen

Nach Abschluss der Ermittlungen sollen die Objekte im Holocaust-Museum von Buenos Aires ausgestellt werden. Davor wäre aber noch zu klären, wem sie ursprünglich gehörten und wie sie an den Rio de la Plata gelangten. Laut dpa führt eine Spur nach Solingen. Viele der Objekte sind offenbar mit einem Fabrikationsstempel des dort 1865 gegründeten Militärmesser-Herstellers Eickhorn gekennzeichnet. Nach 1945 flüchteten zahlreiche NS-Schwerverbrecher nach Argentinien, darunter Adolf Eichmann und Josef Mengele. Gleichzeitig war das Land aber einer der wichtigsten Zufluchtsorte europäischer Juden. Hier trafen sich Opfer und Täter wieder.

Die Regierung von Präsident Mauricio Macri ist sehr um das Bild einer umfassenden Aufarbeitung dieses Teil der Geschichte bemüht. Für Ariel Cohen Sabban, den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Argentinien, ist der jüngste Fund vor allem ein Beleg, dass in dieser Hinsicht noch viel zu tun ist.

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