Arbeitswelt:Der letzte Eindruck zählt

Businessman doing headstand on filing cabinet

Am letzten Arbeitstag ist die berufliche Vergangenheit gelaufen, die Zukunft hat noch nicht begonnen. Genau der richtige Zeitpunkt für spektakuläre Abschiedsaktionen?

(Foto: Cultura RM/vario images)

An seinem letzten Arbeitstag löscht ein Twitter-Mitarbeiter Donald Trumps privaten Account. Aus voller Absicht. Und zur Freude vieler Menschen. Von Abschiedsaktionen, die garantiert in Erinnerung bleiben.

Von Laura Hertreiter

Arnold Schwarzenegger hat an seinem letzten Tag als Gouverneur von Kalifornien eine Cohiba geraucht und ein Glas Rotwein getrunken. Christian Ude beendete seine Amtszeit als Münchner Bürgermeister, indem er die Isar entlangradelte. Benedikt XVI. ließ seinen letzten Tag als Kirchenoberhaupt mit Tagesschau und Nachtgebet ausklingen. Alles relativ unspektakulär in Anbetracht der Tatsache, welche Möglichkeiten der letzte Arbeitstag eigentlich bietet. Karriereberater und Psychologen raten zum Unspektakulären: Betonen Sie in Abschiedsreden das Positive! Hinterlassen Sie kein Chaos! Bieten Sie an, in den nächsten Tagen erreichbar zu sein! Spendieren Sie einen Umtrunk, aber halten Sie den Ausstand kurz, um niemanden von der Arbeit abzuhalten!

Eigentlich eine vertane Chance: Gerade weil am letzten Arbeitstag die berufliche Vergangenheit gelaufen ist, und die Zukunft noch nicht beginnen kann, hat der Tag Potenzial zu Größerem. Es könnte statt schnödem Abschiedsumtrunk und langweiliger Dankesreden getrost auch der Tag der großen Abrechnung sein, der Tag der Aussprachen und Entschuldigungen. Oder der Tag, an dem man durch ein großes Finale zur Legende wird. Wie jener Mitarbeiter des Kurznachrichtendienstes Twitter, der an seinem letzten Arbeitstag in dieser Woche den privaten Account des US-Präsidenten gelöscht hat und damit für weltweiten Wirbel sorgte. Ein neues Vorbild für alle, die sich tief eingraben wollen in die Erinnerung von künftigen Ex-Kollegen.

Ausgetwittert

Gelöscht hat der Angestellte nach Angaben des US-Konzerns einen der wichtigsten Twitter-Accounts überhaupt, den des US-Präsidenten Donald Trump. Man habe durch die Untersuchung herausgefunden, dass ein Mitarbeiter des Kundendienstes den Zugang mit mehr als 41 Millionen Followern an seinem letzten Arbeitstag deaktiviert habe, teilte Twitter am Freitag mit. All die berüchtigten, bizarren, wirren, beleidigenden und beleidigten Tweets des @realDonaldTrump: weg.

Der Großteil der Nutzer jubelte. Immer wieder werden Forderungen laut, das Profil des US-Präsidenten müsse gelöscht werden, da viele seiner Tweets gegen die Kommunikationsregeln des Netzwerks verstoßen, Beobachter haben Listen von mehreren Hundert Personen, Dingen und Orten angesammelt, die Donald Trump in seiner Amtszeit auf Twitter beleidigt hat.

Andere kritisierten die Löschaktion als Sabotage der Meinungsfreiheit, als Akt der Zensur. Auch Twitter selbst ist offensichtlich viel an seinem unberechenbaren Nutzer gelegen. Ein Analyst schätzt laut Bloomberg, ohne Trump verliere das Unternehmen ein Fünftel seines Marktwerts. Nach denkwürdigen elf Minuten war Trumps Profil wieder online. Aber die Debatte blieb, und der Mann, der auf "Löschen" gedrückt hatte, war eine namenlose Berühmtheit.

Weggerutscht

Steven Slater entschied recht spontan, dass dieses sein letzter Arbeitstag werden sollte. Der Flugbegleiter hatte einen Passagier im Flieger mehrmals erfolglos gebeten, nach der Landung sitzen zu bleiben, bis die Parkposition erreicht sei. Dann entschied er, an jenem Sommertag 2010, genau das zu tun, wovon viele seiner Kollegen in Momenten wie diesem träumen. Laut Medienberichten griff er zum Bordmikrofon und sagte: "Ich arbeite nun seit 20 Jahren in diesem Business. Doch das war's jetzt, mir reicht es." Dann löste er die Notrutschen an der Maschine aus, schnappte sich eine Bierdose und rutschte in die Freiheit.

Fortkommentiert

Der ein oder andere anonyme Hinweis war notwendig, sonst wäre die Abschiedsbotschaft des damaligen britischen Chef-Kommentators Stephen Pollard in seinem letzten Meinungsbeitrag für den Daily Express untergegangen. Denn auf den ersten Blick war sein finales Stück lediglich ein kurzer Text über die Vorzüge organischer Lebensmittelproduktion. Auf den zweiten Blick begannen jene im Jahr 2001 verfassten 14 Sätze mit Buchstaben, die sich aneinandergereiht zweifellos an den damals neuen Verleger der Zeitung, Richard Desmond, richteten: "Fuck you, Desmond." Andere Medien waren dank anonymer Anrufe auf die versteckte Botschaft aufmerksam geworden. Desmonds Vorgeschichte als Verleger von Porno- und Prominentenmagazinen soll Pollard zur Kündigung bewogen haben. Er selbst nennt die Abschiedsworte einen "erstaunlichen Zufall".

Hinweggeträllert

Aufsehenerregende Kündigungen sind für das Unternehmen oftmals schwierig, aber die Amerikanerin Karen X. Cheng war hörbar gern Programmiererin bei einem führenden Software-Hersteller. Weil die junge Frau vor fünf Jahren dennoch mehr wollte vom Leben, griff sie zur Gitarre, sang ein gut gelauntes Kündigungslied in eine Kamera und stellte das Video ins Internet. Zur Melodie von Madonnas "American Pie" trällert sie darin "Bye bye, Excel and I", der Clip wurde mehr als 440 000 mal aufgerufen. Der Text handelt davon, wie viel Spaß es ihr gemacht habe, Zellen und Zahlen im Excel-Programm tanzen zu lassen. Doch nun ziehe sie es vor, nach San Francisco zu gehen, um dort als Designerin zu arbeiten. Das war vorerst das Ende vom Lied.

Ausgebacken

Abschiedskuchen und Häppchen sind die Klassiker am letzten Arbeitstag. Das Gebäck, mit dem sich Chris Holmes, Sicherheitsmitarbeiter am Londoner Flughafen Stansted, verabschiedete, wurde weltberühmt. In dunkler Zuckergussschrift formulierte er vor vier Jahren auf dem viereckigen weißen Kuchen seine Kündigung. Er sei kürzlich Vater geworden, schrieb er. "Ich will mein Leben mit etwas verbringen, das mich und andere glücklich macht. Deshalb reiche ich hiermit meine Kündigung ein." Er wolle seinen Traum vom Leben als Zuckerbäcker verwirklichen.

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