Anti-Preis an Marius Jung:"Ich dachte zuerst, es ist ein Scherz"

Marius Jung

Marius Jung, 49: "So ein Lachen, das einem womöglich im Halse stecken bleibt, wirkt doch viel nachhaltiger als jede böse Mahnung."

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Der schwarze, deutsche Autor und Schauspieler Marius Jung hat für sein neues Buch einen Anti-Preis erhalten. Studentenvertreter werfen ihm Rassismus vor. In seinem ersten Interview zu dem Thema erklärt er, warum er von Tabus wenig hält.

Von Jonathan Fischer

Marius Jung ist Schauspieler und Autor. Nun entfacht der 49-Jährige mit seinem "Handbuch für Negerfreunde" eine Kontroverse. Gerade hat der Studentenrat der Universität Leipzig das Buch mit der Auszeichnung "Der Preis ist heißßßß - oder auch nicht" bedacht - wegen der Darstellung rassistischer Inhalte.

SZ: In Ihrem Buch verarbeiten Sie auf satirische Weise rassistische Sprachfallen und erklären freundlich gemeinte Fettnäpfchen wie "Singen können die alle!". Wie fühlt es sich an, nun selbst als Rassist bezeichnet zu werden?

Marius Jung: Ich dachte zunächst, das ist ein Scherz. Oder ein Irrtum. Jetzt finde ich es schön, dass es Menschen gibt, die mich vor mir selber schützen wollen. Der Studentinnen-Rat hat seine Vorwürfe bekräftigt: Mein Buch-Cover sei rassistisch. Ich dürfe mich als Schwarzer nicht halb nackt, also als Sex-Objekt abbilden lassen.

Hatten Sie denn keine Bedenken, Ihr Buch könne falsche Assoziationen wecken?

Ich wollte ja keine Leidensgeschichte schreiben. Sondern die Leute zum Lachen bringen. So ein Lachen, das einem womöglich im Halse stecken bleibt, wirkt doch viel nachhaltiger als jede böse Mahnung. Die falsche Fährte gehört nun mal zur Natur der Satire.

Dennoch provoziert Ihr Gebrauch des Wortes "Neger". Sie fallen Leuten, die etwa die Entfernung dieses Wortes aus Wörterbüchern verlangen, in den Rücken . . .

Natürlich halte ich "Schwarzer" für die korrekte Bezeichnung. Andererseits will ich Begriffe aus dem Tabu herausholen. Tabus führen doch nur zu noch mehr Ausgrenzung. Es hilft niemandem, wenn Menschen stammelnd vor mir stehen und nicht wissen, wie sie mich nennen sollen. Dann ist es besser, man spricht offen und angstfrei über Begriffe.

Sie wollen Gift aus der Diskussion ziehen?

Ich rate jedenfalls allen empörten Lesern, das Wort Neger so oft zu sagen, bis sie lachen müssen. Man darf da kein Monster draus machen. Das Wort ist ja nicht böse, sondern höchstens die Absicht dessen, der es benutzt. Meine Freunde dürfen mich Mokkatässchen nennen. Wirkliche Rassisten sind dagegen meist nicht mutig genug, mich direkt anzusprechen. "Geh doch zurück", war das Schlimmste, was ich bisher an Beleidigungen einstecken musste.

Reagieren Sie darauf im Alltag ähnlich schlagfertig wie auf der Bühne?

Das kommt auf die Situation an. Neulich stand ich mit einem türkischen Kollegen zusammen, als eine Frau, der wir versehentlich den Gehweg versperrten, giftete: "Gegen solche wie euch darf man ja nichts sagen." Wenn man zu zweit ist, kann man darüber jedenfalls herzlich lachen.

Noch lieber nehmen Sie allerdings das linksintellektuelle Milieu aufs Korn, aus dem Sie selbst stammen: Political Correctness sei die "unheilvollste Erfindung seit dem alkoholfreien Bier".

Dieser Krampf, den mir die Verbotsapostel aufzwingen, war überhaupt der Grund, mein Buch zu schreiben. Warum nicht gemeinsam lachen? Das schafft Abstand und erschließt neue Perspektiven. Mir schreiben oft Menschen, sie hätten erst durch meine Comedy gemerkt, dass bestimmte Verhaltensweisen rassistisch sind . . .

Auf Podien erlebt man Sie als sehr geduldigen Menschen, der Angriffe mit freundlichem Respekt kontert. Aber mit Humor lässt sich doch nicht jeder bekehren?

Schlimm sind die problemorientierten Frauen, die mich mit weinerlich-bebender Stimme fragen, ob ich es als Schwarzer nicht sehr schwer hätte in Deutschland. Ich antworte stets wahrheitsgemäß mit: Nö! Noch mehr nerven allerdings die Theken-Faschisten: Sie halten sich selbst für wahnsinnig offenherzig, lassen dann aber Sätze los wie: Jetzt wollen Sie uns auch noch den Negerkuss nehmen.

In Ihrem Fall wäre das Königswinter im Siebengebirge, wo Sie mit Ihrer weißen Mutter und dem weißen Ziehvater aufwuchsen . . .

Es war von meinem weißen Vater sicher heldenhaft, in den 60er-Jahren ein schwarzes Kind auf dem Arm zu tragen. Andererseits wurde nie über meinen biologischen Vater gesprochen. Meine Hautfarbe war ein Tabuthema. Also erfand ich als Kind die Legende von einem verstorbenen Opa, der wie Jim Knopf ein schwarzer Lokomotivführer gewesen sei. Ich verschlang auch begeistert die Geschichten von Pippi Langstrumpfs Vater, dem Negerkönig.

Der wurde vom deutschen Verlag ja inzwischen zum Südseeherrscher gemacht . . .

Dass man glaubt, das Wort "Neger" in alten Kinderbüchern umschreiben zu müssen, beruht auf einem Irrglauben: Als könne man mit einem Wort gleichzeitig den Rassismus ausmerzen. Wichtiger ist doch der respektvolle Umgang miteinander. Ich musste mir als Kind beim Friseur anhören, mir die Haare zu schneiden sei ähnlich, wie ein Schaf zu scheren - woraufhin ich mich weigerte, zum Friseur zu gehen. Und das beknackte Kompliment, dass ich ja so gut Deutsch spreche, höre ich bis heute.

Hat "schwarz und deutsch" denn wenigstens in der Schauspielbranche, wo Sie zu Hause sind, eine gewisse Normalität?

Na ja, meistens durfte ich vor allem Rollen als Musiker oder Asylbewerber besetzen. Was bei letzterem bedeutet, acht Jahre Sprechunterricht möglichst zu vergessen und ja keinen Nebensatz fallen zu lassen.

Sie berichten auch von positivem Rassismus . . .

1994 winkte der Durchbruch, ich sollte die Hauptrolle in einer Vorabendserie spielen. Bis überraschend die Absage kam: Der Koksdealer durfte kein Schwarzer sein. Was würde die Presse sonst sagen?

Nun bringt Ihnen ausgerechnet ein Negativ-Preis den Durchbruch. Werden Sie ihn persönlich entgegennehmen?

Natürlich! Ich habe dem Preis ja tolle Buchverkäufe und Einladungen in Talkshows zu verdanken. Außerdem möchte ich ein paar Witze aus meiner neuen Kabarett-Show "Vom Neger zum Maximal-Pigmentierten" erzählen.

Haben Sie einen Lieblingswitz?

Der stammt von Woody Allen: Fährt ein Schwarzer U-Bahn und liest eine jüdische Zeitung. Kommt ein Weißer zu ihm und sagt: Neger allein reicht dir wohl nicht.

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