Anti-liberales Dänemark:Hochzeiten mit Hindernissen

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Weil die dänische Regierung wenig von internationalen Romanzen hält, mussten Hunderte Heiratswillige ins Ausland ziehen. Das dänische Paar Busch gehört dazu.

Gunnar Herrmann

Das Haus der Buschs steht am Ende einer namenlosen Sackgasse. Västra Tommarp ist so klein, dass man hier Gebäude nur nummeriert und Straßen unbenannt lässt. Es ist selbst für südschwedische Verhältnisse abgelegen, und hinter dem Garten der Buschs ist nur das endlose Strohgelb schonischer Getreidefelder.

Ehe im Exil: Das dänische Paar Busch lebt nun in Schweden. (Foto: Foto: Gunnar Herrmann)

"Hier sitzen wir also fest", sagt Loke und schüttelt den Kopf. "Aber die Nachbarn sind wenigstens nett." Der Däne wirkt noch immer etwas fassungslos. Nicht nur, weil ihn die Bürokratie seiner Heimat in dieses idyllische Exil gezwungen hat. Sondern auch, weil er nun in der Zeitung lesen musste, dass seine Flucht nach Schweden völlig unnötig war.

Die Sackgasse in der schwedischen Provinz ist vorläufiges Ende einer Geschichte, die als Großstadtromanze im schicken Kopenhagener Nachtclub "Culturebox" begann.

Es war vor etwa fünf Jahren, als Loke Busch, der Betreiber des Clubs, dort auf Xiaofei Wu traf, die alle nur Fei nennen. Sie war als Gaststudentin in Kopenhagen und arbeitete manchmal in der Culturebox an der Garderobe. Der Däne mit dem rotblonden Bart und die zierliche Chinesin verliebten sich. Bald flogen sie gemeinsam nach China, wo Loke bei Xiaofeis Vater um ihre Hand anhielt. Er ist 15 Jahre älter als sie. "Aber das hat meinen Vater nicht gestört", sagt Fei: "Er hat sich Loke angesehen und dann sein Einverständnis gegeben."

Systematisch verschwiegen

In Dänemark hatte das junge Glück es dagegen schwerer. Seit Jahren ist die Regierung dort auf die Unterstützung der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei angewiesen. Und die hat für internationale Romanzen wenig übrig.

Besonders stolz sind die Rechtspopulisten auf die von ihnen durchgedrückte "24-Jahre-Regel". Die besagt, dass eine Familienzusammenführung zweier Ehepartner nur möglich ist, wenn beide älter als 24 Jahre alt sind. Das strenge Gesetz soll Zwangsehen verhindern, hat in Kombination mit den Freizügigkeits-Regeln der EU aber bizarre Folgen. Hunderte junge Familien sind mittlerweile ins benachbarte Ausland gezogen, nach Schweden und nach Deutschland. Dort dürfen Dänen als EU-Bürger unbefristet bleiben, und Ehepartner, die nicht aus der EU kommen, haben nach den Regeln Europas bei den Nachbarn Anspruch auf das Visum, das ihnen Dänemark verweigert.

Fei ist 23 Jahre alt. Als ihre Aufenthaltsgenehmigung ablief, standen auch sie und ihr Ehemann Loke vor der Wahl: Flensburg oder Malmö. Im März 2007 zogen die Buschs nach Südschweden und einige Monate später kauften sie das Haus im Malmöer Vorort Västra Tommarp. Von dort kann Loke über den Öresund zu seinem Nachtclub pendeln.

Fei verlor ihren Job in einem Kopenhagener Hotel, denn in Dänemark bekommt sie keine Arbeitserlaubnis mehr. In ihrer neuen Heimat Schweden dürfte sie zwar arbeiten, findet aber keine Stelle, weil sie bislang nur Dänisch fließend sprechen gelernt hat. Die Buschs haben einiges auf sich genommen, um zusammen zu sein.

Und nun berichtete also eine dänische Zeitung, dass sie den Umzug leicht hätten vermeiden können. Loke hätte nur für ein paar Wochen einen Job in Malmö annehmen müssen. Dann hätten für ihn und seine Frau die wesentlich liberaleren EU-Regeln zur Familienzusammenführung gegolten - die dänischen Behörden wären gezwungen gewesen, Fei ein Visum auszustellen. Das aber sagte den beiden niemand. Die Einwanderungsbehörde soll laut Medienberichten diese Möglichkeit sogar systematisch verschwiegen haben.

Die Beamten sehen sich nach den Enthüllungen schweren Vorwürfen ausgesetzt: Sie hätten Hunderte Familien mit unvollständigen Auskünften in die Irre geführt und ins Exil getrieben, heißt es. Die Sache kommt nach der Sommerpause ins Parlament. Migrationsministerin Birthe Rönn Hornbech musste sich bereits für die seltsame Praxis in ihrer Behörde rechtfertigen. Die Leute seien selbst schuld, meinte sie in einem Interview, die Antragsteller hätten halt genauer nachfragen sollen. "Ich würde mein Leben jedenfalls nicht auf eine telefonische Auskunft bauen", sagte Hornbech.

Bei den Buschs war es aber nicht bloß eine Auskunft. Loke telefoniert oft und ausgiebig mit dem Amt, schickte auch E-Mails. "Und jedes Mal, wenn ich dort angerufen habe, gab es neue Probleme", erinnert er sich. Man teilte ihm nicht nur mit, dass seine Verlobte zu jung sei. Die Beamten sagten auch, dass sie bei einem so großen Altersunterschied grundsätzlich von einer "Pro-Forma-Ehe" ausgehen. Dass sie also unterstellen, Fei wolle Loke nur des Visums wegen heiraten. Der Nachtclubbesitzer zittert vor Empörung, wenn er von diesen Telefonaten erzählt.

Eigentlich sollte die Geschichte hier ein gutes Ende nehmen. Nachdem die Rechtslage nun klar ist, könnte das Paar ja nach Dänemark zurückziehen. So machen das derzeit viele Exil-Dänen. "Aber wir können nicht'', sagt Loke und schlägt verzweifelt die Arme auseinander. Seine schöne Eigentumswohnung in Kopenhagen ist verkauft, das Haus in Västra Tommarp mit einem Kredit belastet, der eine Laufzeit von fünf Jahren hat. Eine Rückkehr können sich die beiden vorläufig nicht leisten.

Loke ist wütend und will den dänischen Staat auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen. "Ich gehe bis zum EU-Gerichtshof, wenn es sein muss'', ruft er. Fei nickt siegessicher und sagt dann: "Unsere Liebe ist durch diese Sache jedenfalls nur stärker geworden."

© SZ vom 26./27.7.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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