Anschlagsserie in Schweden:Der Heckenschütze von Malmö

Schon seit einem Jahr schießt ein Unbekannter in Schweden Menschen nieder. Fast immer sind seine Opfer Einwanderer oder haben dunkle Haut.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Gegen 20 Uhr ist es dunkel in der Eriksfältsgatan in Malmö. Ein Mann steht einsam an der Haltestelle beim Fußballplatz und wartet auf den Bus Nummer 8. Da löst sich im Gebüsch hinter ihm ein Schuss. Die Kugel trifft den 28-Jährigen in den Rücken, sie verfehlt nur knapp die Wirbelsäule. Der Mann sackt zusammen, mit letzter Kraft tippt er die Notrufnummer in sein Mobiltelefon. Noch in der Nacht wird er operiert. Inzwischen ist sein Zustand "ernst, aber stabil", heißt es im Krankenhaus. Doch das ist nur ein kleiner Trost, denn die Ärzte von Malmö haben in diesem Jahr schon viel zu viele Schusswunden versorgen müssen.

A police officer investigates a crime scene in Malmo

Ein Heckenschütze erschießt seit einem Jahr Menschen im schwedischen Malmö. Meistens sind seine Opfer Einwanderer.

(Foto: REUTERS)

Der Anschlag auf den 28-Jährigen vom vergangenen Dienstag ist nur der jüngste in einer ganzen Reihe ungeklärter Attentate. Seit einem Jahr wird die südschwedische Stadt von einem Heckenschützen terrorisiert, der fast ausschließlich auf Einwanderer zielt. Wie viele Menschen der Serientäter schon niedergeschossen hat, der mit einer Pistole oder einem Revolver vorzugsweise von hinten feuert, ist nicht ganz klar. In den Medien ist von zehn bis 15 Anschlägen seit dem 10. Oktober 2009 die Rede.

Damals, vor etwa einem Jahr, wurde ein Paar in der Nähe einer Moschee attackiert. Die Frau starb an ihren Schussverletzungen. Sie ist bislang das einzige Todesopfer des Heckenschützen und auch sein einziges Opfer mit schwedischem Aussehen. Allerdings war ihr Freund im Auto Einwanderer. Die Schüsse könnten ihm gegolten haben. In den folgenden Monaten häuften sich rätselhafte Anschläge gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe oder dunklen Haaren. Mehrere von ihnen wurden schwer verletzt. "Der Schütze hat die Absicht zu töten", sagt Kriminalkommissar Jan-Bertil Cederholm.

Die Opfer sind unbescholtene Bürger

Mittlerweile arbeiten eine Sonderkommission und eine 15-köpfige Profiler-Einheit aus Stockholm an dem Fall. Die Ermittler waren sich zunächst gar nicht sicher, ob sie es mit nur einem Täter zu tun haben. Malmö ist eine Stadt, die von organisierter Kriminalität und Bandenkriegen geplagt wird. Die Zeitung Svenska Dagbladet recherchierte, dass es allein in diesem Jahr bereits 50 Schießereien gegeben hat. Doch spielt sich die Gewalt meist ausschließlich im kriminellen Milieu ab. Die Opfer des Heckenschützen dagegen seien allesamt unbescholtene Bürger, die der Polizei bislang völlig unbekannt waren, sagen die Ermittler.

Es gebe auch technische Beweise, die einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen nahelegen. Genaueres wollen die Behörden wegen der laufenden Ermittlungen allerdings nicht sagen. Nur so viel, dass in allen Fällen jedes erkennbare Motiv fehlt. Der Täter scheint seine Ziele rein zufällig ins Visier genommen zu haben - auf der Straße, an der Bushaltestelle, im Auto. In einem Fall schoss er durchs Fenster eines Fitnessstudios auf einen Mann, der dort gerade trainierte.

Die Anschlagsserie weckt Erinnerungen an den Heckenschützen von Washington, der im Oktober 2002 drei Wochen lang die amerikanische Hauptstadt in Angst versetzte und insgesamt zehn Menschen aus dem Hinterhalt erschoss. In Schweden denken viele Leute in diesen Tagen auch an den "Lasermann" John Ausonius. Der hatte zwischen August 1991 und Januar 1992 in Stockholm und Uppsala wahllos auf Personen mit ausländischem Aussehen geschossen, dabei einen Menschen getötet und zehn weitere verletzt. Bei seinen Anschlägen benutzte Ausonius eine Waffe mit Laserzielgerät.

Als Motiv für seine Taten gab er später an, er habe die Ausländer aus dem Land jagen wollen. Seine Attentate fielen zeitlich mit einer großen Einwanderungsdebatte zusammen, die im Sommer 1991 mit dem Einzug der rechtspopulistischen Partei Neue Demokratie ins Parlament begonnen hatte. Viele Schweden sehen hier eine weitere Parallele zu den aktuellen Anschlägen: Seit die rechten Schwedendemokraten bei der Wahl im September den Sprung ins Parlament geschafft haben, wird in Schweden wieder über Einwanderung diskutiert.

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