Süddeutsche Zeitung

Anschlag in London:Der stille Held von London

Während die meisten davonliefen, leistete er dem verletzten Polizisten Erste Hilfe: der britische Abgeordnete Tobias Ellwood. Es ist nicht das erste Mal, dass er von einem Anschlag betroffen ist.

Von Björn Finke, London

Die meisten Leute rannten weg, als der Attentäter am Mittwochnachmittag vor dem Parlament auf einen Polizisten einstach und dann selbst erschossen wurde. Doch Tobias Ellwood, konservativer Abgeordneter, lief zu dem verletzten Polizisten. "Ich habe versucht, die Blutung zu stoppen, und gab Mund-zu-Mund-Beatmung, während wir auf die Sanitäter warteten", sagte der Staatssekretär im Außenministerium (Parliamentary Under-Secretary of State), "aber ich glaube, er hatte zu viel Blut verloren." Tatsächlich überlebte der 48-jährige, unbewaffnete Beamte den Angriff vor dem Parlament nicht. Der Familienvater ist einer von drei Menschen, die der Attentäter tötete.

Ellwood, der seit 2005 für das südenglische Seebad Bournemouth im Parlament sitzt, wird wegen seines Einsatzes von Abgeordneten, Polizisten und britischen Medien als Held gefeiert. Alan Duncan, Staatsminister im Außenministerium, sagte, Ellwood sei jemand, der mit Krisensituationen klarkomme und einfach handele. "Ich werde ihm einen sehr harten Drink spendieren", versprach der Konservative. Ellwood selbst sagte britischen Medien, er sei nun Zeuge in einem Mordfall, daher dürfe er keine weiteren Details berichten, "sonst bekomme ich Ärger".

Sein Bruder starb bei Bombenanschlägen auf Bali

Es ist nicht das erste Mal, dass der 50-Jährige von einer Terrorattacke betroffen ist. Im Jahr 2002 starb sein Bruder Jonathan bei den Bombenanschlägen auf der indonesischen Insel Bali. Ellwood klagte hinterher, wie schwierig es gewesen sei, die Leiche seines Bruders nach Großbritannien zu überführen. Vor Ort habe es keine Unterstützung gegeben, er habe am Ende sogar selbst den Sargdeckel zuschrauben müssen: "So etwas kann nicht in Ordnung sein", sagte er.

Dass Ellwood während der Attacke am Parlament die Ruhe behielt, dürfte auch mit seiner Militärkarriere zusammenhängen. Der Brite wurde in New York geboren, weil seine Eltern dort bei den Vereinten Nationen arbeiteten. Er wuchs in Bonn und Wien auf, studierte in England. Danach diente er sechs Jahre lang bei den Royal Green Jackets, einem Infanterieregiment im Süden Englands, wo er es bis zum Hauptmann brachte. Er wurde unter anderem in Bosnien, Kuwait, Nordirland und Deutschland eingesetzt. Ellwood kehrte an die Universität zurück, machte einen Wirtschaftsabschluss und arbeitete dann beim Betreiber der Londoner Börse.

Der verheiratete Vater zweier Söhne ist als parlamentarischer Staatssekretär im Außenministerium für den Nahen Osten und Afrika zuständig. Vorher war der Hobbypilot und begeisterte Saxofonist Parliamentary Private Secretary beim Verteidigungs-, Gesundheits- und beim Europaminister.

Ein Mann mit vielen Interessen, dessen Name aber außerhalb von Westminsters Politikzirkus nur wenigen Briten geläufig gewesen sein dürfte. Das hat sich nun geändert.

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