Anschlag im belgischen Lüttich:Verurteilter Waffennarr reißt fünf Menschen mit in den Tod

Er zündete Granaten und schoss gezielt auf Passanten: Ein Bewaffneter hat im belgischen Lüttich mehrere Menschen erschossen und mehr als 100 Personen verletzt, dann richtete er sich selbst. Einen terroristischen Hintergrund schließt die Polizei mittlerweile aus - der Täter war für die Behörden kein Unbekannter. Er wurde 2008 wegen Waffenbesitzes zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt.

Ein Blutbad mit mehreren Todesopfern und Dutzenden Verletzten hat die belgische Stadt Lüttich in einen Schockzustand versetzt - die Behörden haben aber einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden die Angriffe von einem Einzeltäter begangen. Der Attentäter tötete französischen und belgischen Zeitungen zufolge fünf Menschen, darunter drei Jugendliche und ein Kleinkind. Mehr als 120 weitere Personen wurden verletzt.

Der Mann habe einen Gerichtstermin gehabt, teilte die Staatsanwaltschaft mit und korrigierte damit Berichte, die eine Verbindung zu einem laufenden Justizverfahren zuvor ausgeschlossen hatten. Belgische Medien präzisierten die Angaben: Der Mann sei für ein Verhör vorgeladen gewesen - angeblich wegen eines Sittlichkeitsdelikts.

Einen terroristischen Hintergrund hatte das Innenministerium ausgeschlossen. Zwischenzeitlich war von bis zu drei Tätern die Rede gewesen.

Doch es war wohl ein einzelner Täter, der am Mittag nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine oder mehrere Blend-Granaten in eine Menschenansammlung an einer Bushaltestelle nahe des Weihnachtsmarkts warf. Dann eröffnete er mit einer Kalaschnikow das Feuer auf die Menge. Dabei starben nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei junge Männer im Alter von 15 und 17 Jahren und eine 75-jährige Frau. Die Jugendlichen sollen Schüler gewesen sein, die gerade eine Prüfung geschrieben hatten. Einer von ihnen starb noch am Tatort. Am Abend berichteten belgische und französische Zeitungen übereinstimmend, dass auch ein junger Mann mit 20 Jahren und ein 23 Monate altes Kleinkind ihren Verletzungen erlegen seien.

Laut Medienberichten ist der 33-jährige Mann für die Behörden kein Unbekannter. Demnach wurde er 2008 zu 58 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem bei ihm neben fast 3000 Cannabis-Pflanzen ein Dutzend Waffen und fast 10.000 Waffenteile gefunden worden waren. Die Tageszeitung La Meuse beschreibt den Attentäter in ihrer Online-Ausgabe als "Waffenspezialisten, der in der Lage ist, verschiedene Modelle auseinanderzubauen, zu reparieren und neu zusammenzusetzen." Nach Angaben der Lütticher Staatsanwältin Danièle Reynders lebte der Mann ganz in der Nähe des Tatorts.

Im Universitätskrankenhaus der Stadt wurden 14 Verletzte behandelt, eine Person schwebte nach Medienberichten am frühen Dienstagabend noch in Lebensgefahr. Der 20-Jährige habe ein schweres Schädeltrauma erlitten, berichtet La Meuse in ihrem Live-Ticker zu dem Attentat.

"Die Zustände sind chaotisch"

"Die Zustände sind chaotisch", sagte der Vater eines verletzten Kindes dem Fernsehsender RTL nach dem Anschlag. Einem Augenzeugen zufolge holte der Täter auf der Place Saint-Lambert im Herzen der Innenstadt eine Handgranate aus seinem Rucksack und zündete sie. Dann habe er das Feuer auf die Menschenmenge eröffnet, die an einer Bushaltestelle nahe des gut besuchten Weihnachtsmarkts stand. Anschließend habe er sich mit einem Kopfschuss selbst das Leben genommen, sagte der Augenzeuge dem Sender RTL. "Es war grauenhaft, alle versuchten, sich panisch in Sicherheit zu bringen." In anderen Berichten war von vier Granaten die Rede, die gezündet worden wären.

Auf Fernsehbildern waren Blutlachen zu sehen, und Menschen, die in Panik davonrannten. Geschäftsleute verbarrikadierten ihre Läden. Die Innenstadt von Lüttich - rund 40 Kilometer südwestlich von Aachen gelegen - wurde nach dem Angriff vollständig abgeriegelt. Gegen 15 Uhr meldete die Polizei, sie habe die Lage unter Kontrolle.

Der belgische Premierminister Elio Di Rupo sagte, seine Gedanken seien bei den Opfern, ihren Familien und Freunden sowie bei der Bevölkerung von Lüttich. Gemeinsam mit Innenministerin Joëlle Milquet, dem Ministerpräsident der Wallonischen Region Rudy Demotte und dem belgischen Königspaar wollte Di Rupo am späten Nachmittag den Tatort besuchen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: