Anschlag auf Marathon-Lauf:Boston-Attentäter entschuldigt sich

Dschochar Zarnajew

Dschochar Zarnajew vor Gericht (Zeichnung).

(Foto: dpa)
  • Vor der offiziellen Verkündung des Todesurteils erklärt sich Boston-Attentäter erstmals.
  • Zarnajew: "Es tut mir leid für die Leben, die ich ausgelöscht habe, den Schmerz, den ich verursache habe."
  • Zahlreiche Angehörige und Opfer erzählen, wie der Terroranschlag ihr Leben veränderte.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Es war ein weiterer emotionaler Tag in Boston: Vor der offiziellen Bestätigung des Urteils gegen den Marathon-Attentäter Dschochar Zarnajew ergriffen nochmals jene Menschen das Wort, deren Leben der 21-Jährige aus der Bahn geworfen oder zerstört hatte. Jene, die Angehörige verloren oder selbst körperlich verletzt worden waren. Einige brachen beim Schildern ihrer Gefühle in Tränen aus.

Drei Menschen waren 2013 durch die Bomben Zarnajews und seines später getöteten Bruders umgekommen, mehrere der 264 Verletzten verloren Arme oder Beine.

Patricia Campbell, deren Tochter durch eine Bombe getötet worden war, wandte sich anwesenden Reportern zufolge als erste an den Attentäter. "Ich weiß, dass das Leben hart ist. Aber die Entscheidungen, die du getroffen hast, waren verachtenswert und was du meiner Tochter angetan hast, ist abscheulich."

Jennifer Maybury, deren Neffe Jeff Baumann beide Beine verloren hatte, beschrieb die Auswirkungen des Anschlags auf die Familie: "Wird er [Jeff, d. Red.] jemand wieder derselbe sein? Unsere Familie?" Carol Downing, deren Töchter schwer verletzt wurden, berichtete, wie sie die Schuld verfolge, "meine Kinder an der Ziellinie platziert zu haben, während ich den Marathon lief."

"Es ist alles seine Schuld"

Megan Zippin, eine Teilnehmerin des Marathons: "Zwei meiner Freunde warteten auf mich an der Ziellinie. Und diese Freunde wurden in die Luft gesprengt." Bill Richard, dessen achtjähriger Sohn Martin das jüngste Opfer des Anschlags war: "Er [Zarnajew, d. Red. ] hätte seinen Bruder aufhalten können. (...) Es ist alles seine Schuld. Wir haben Liebe gewählt, Güte. Wir haben Frieden gewählt. Das unterscheidet uns von ihm."

Während die Opfer und Angehörigen unterschiedliche Meinungen zur Verhängung der Todesstrafe erkennen ließen, herrschte vor allem in einer Sache große Einigkeit: Dass Zarnajew keinerlei Reue gezeigt und sich während des Prozesses völlig desinteressiert gegeben hätte.

Zarnajew: "Ich bin schuldig, keine Frage"

Ganz am Ende dieses Prozesses, der sich über Monate hingezogen hatte, wollte Zarnajew diesem Eindruck offenbar entgegenwirken und ergriff das Wort - zum ersten Mal, abgesehen von den beiden Worten "nicht schuldig" zu Beginn der Verhandlungen.

Er bete zu Allah um Vergebung, erklärte er laut Anwesenden. "Ich möchte mich bei den den Opfern und ihren Angehörigen entschuldigen." Er habe "ihre Namen, ihre Gesichter, ihr Alter erfahren. Und während dieses Prozesses, bekamen mehr Opfer Namen." Und: "Ich habe zugehört."

"Ich habe irreparablen Schaden angerichtet. (...) "Es tut mir leid für die Leben, die ich ausgelöscht habe, den Schmerz, den ich verursache habe." Er bete um Linderung für die Opfer. "Ich bin schuldig an diesem Bombenattentat, das ist keine Frage", sagte Zarnajew am Ende seines Auftritts.

Zum Abschluss des Prozesses wandte sich Richter Georg O'Toole an den Verurteilten: Sein Name sei nun für immer mit dem Bösen verbunden, das er getan habe. Es sei eine "monströse Selbsttäuschung gewesen", diese Taten vor sich selbst zu rechtfertigen und "die eigene Menschlichkeit zu vergessen."

Am Ende sprach O'Toole das Todesurteil, das die Geschworenen vor einigen Wochen verhängt hatten - eine Formalie.

Es war der wahrscheinlich letzte öffentliche Auftritt des Boston-Attentäters. Zarnajew wird nun in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Seine Anwälte können gegen das Urteil Berufung einlegen.

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