Anschlag auf BVB-Bus:Drei Bomben, "vom Profi gebastelt"

  • Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ Haftbefehl gegen den festgenommenen 26-jährigen Iraker, wie der Generalbundesanwalt am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte.
  • Dieser Haftbefehl steht aber nicht im Zusammenhang mit dem Anschlag.
  • Auch bei einem zweiten Verdächtigen schließen die Behörden derzeit aus, dass er mit dem Dortmunder Attentat zu tun hatte.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt haben bislang keinen handfesten Beleg, dass der Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund einen islamistischen Hintergrund hat. Nach Recherchen von SZ, WDR und NDR schließen die Ermittler weiterhin nicht aus, dass der Täter aus einem ganz anderen Bereich, etwa dem radikalen Fußballumfeld, stammen könnte.

Zwar erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehl gegen den festgenommenen 26-jährigen Iraker, wie der Generalbundesanwalt am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte. Diesen hatte die Bundesanwaltschaft zuvor beantragt. Der Haftbefehl steht aber nicht im Zusammenhang mit dem Anschlag.

Der 26-jährige Abdul Beset A., der vor einem Jahr als Flüchtling nach Deutschland kam, ist dringend verdächtig, im Irak eine Einheit der Terrormiliz des so genannten Islamischen Staates (IS) angeführt zu haben. Aufgabe seiner Einheit soll es, wie die Bundesanwaltschaft erklärte, gewesen sein, Entführungen, Verschleppungen, Erpressungen und auch Tötungen vorzubereiten. Er soll auch für den IS gekämpft haben. Im März 2015 soll er in die Türkei ausgereist und Anfang 2016 als Flüchtling nach Deutschland gekommen sein. Er lebte in Wuppertal und soll von dort aus weiterhin Kontakt zu Mitgliedern des IS gehabt haben.

Abdul Beset A. war in Deutschland früh ins Visier der Staatsschützer geraten. Der Bundesnachrichtendienst hatte über seine Einsätze im Irak ein so genanntes Behördenzeugnis angefertigt. Auch hatte eine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau bei einer Befragung durch Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ihren Ex-Mann belastet. Auch hatten ausländische Nachrichtendienste deutschen Staatsschützern Hinweise und Material über den 26-jährigen Verdächtigen geliefert.

Der Verdächtige wurde abgehört

Gegen ihn lief deshalb bei einer Staatsanwaltschaft in NRW seit längerem ein Verfahren wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 89a des Strafgesetzbuches). Für eine Festnahme reichten die Vorwürfe zunächst nicht.

Er wurde aber abgehört. In den Tagen vor dem Dortmunder Anschlag soll einer seiner Gesprächspartner am Telefon erklärt haben, dass ein Sprengsatz fertig sei. Nachdem dann in Dortmund der Mannschaftsbus des BVB mit Sprengkörpern angegriffen worden war, wurde er verhaftet. Die Bundesanwaltschaft übernahm das Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Paragraf 129a). Die Ermittlungen, teilte die Behörde am Donnerstag mit, hätten "bislang keinen Beleg dafür ergeben, dass der Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen" sei.

Hintergrund des Anschlags ist weiterhin unklar

Bei einem 28-jährigen Deutschen libanesischer Herkunft, der in Fröndenberg lebt, gab es nach dem Anschlag eine Durchsuchung. Die Behörden schließen derzeit aber aus, dass er mit dem Dortmunder Attentat zu tun hatte. Die Polizei hatte am Dienstag bei dem Mann vorbeigeschaut, weil es in seiner Wohnung Streitigkeiten gegeben haben soll. Nach dem Anschlag auf den Bus erinnerte sich ein Polizeibeamter, dass er in der Wohnung des Mannes einen Schirm mit dem Logo des Hotels gesehen hatte, in dem die Mannschaft des BVB in Dortmund vor dem Champions-League-Spiel ihr Quartier gehabt hatte. Auf dem Weg ins Stadion war in der Nähe des Hotels dann von Unbekannten die Bombe gezündet worden.

Der Hintergrund des Anschlags, insbesondere das Tatmotiv, ist weiterhin unklar.

Am Mittwoch hatte die Bundesanwaltschaft erklärt, dass sie "aufgrund der Tatmodalitäten" von einem "terroristischen Hintergrund des Anschlags" ausgehe. Darauf weisen aus Sicht der Ermittler die drei Sprengsätze hin, die am Dienstagabend detoniert waren, als der Mannschaftsbus des BVB auf der Fahrt ins Stadion die Wittbräucker Strasse 153a passierte. Die Sprengsätze waren hinter einer Hecke abgelegt worden.

"Die hat ein Profi gebastelt", erklärt ein Sicherheitsbeamter im Hintergrundgespräch. Auffällig sei, dass die Sprengsätze mit Metallstiften bestückt gewesen seien. Der oder die Täter hätten in Kauf genommen, dass es Todesopfer geben könnte. Die Untersuchungen zum Zündmechanismus und der Art des verwendeten Sprengstoffs dauern noch an. Die Bombe soll elektronisch aus der Ferne gezündet worden sein. Ein angeblicher vierter Sprengkörper, über den am Dienstagabend in Medien berichtet worden war, stellte sich als Plastiktüte mit Abfall heraus.

Untersuchung des Sprengstoffs soll Hinweise auf Täter liefern

Da in der Nähe des Tatortes drei textgleiche Bekennerschreiben gefunden wurden, die einen islamistischen Hintergrund vorgeben, halten die Behörden einen islamistischen Hintergrund der Tat zwar immer noch für möglich, aber keinesfalls als bewiesen.

Ein linksextremistischer Hintergrund der Tat wird zwar ebenfalls nicht ausgeschlossen, aber an der Echtheit eines zweiten Bekennerschreibens, in dem ein solcher Hintergrund behauptet wurde, gibt es weiterhin große Zweifel.

"Wer hat ein Motiv einen solchen Anschlag zu machen?" fragt ein mit dem Fall vertrauter Sicherheitsbeamter. "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es anders war als manche derzeit meinen. Es kann so oder ganz anders sein." Man hoffe, dass die kriminaltechnischen Untersuchungen des bei der Tat verwendeten Sprengstoffs Hinweise auf Täter liefern würden.

Eine der "sich aufdrängenden Fragen" sei allerdings weiterhin, ob es in der radikalen Fußball-Szene Kriminelle gebe, die "aus welchem Grund auch immer" die Tötung von Sportlern in Kauf nehmen würden.

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