Akw-Gelände Marcoule nahe Avignon:Ein Toter bei Explosion in französischer Atomanlage

Bei einer Explosion in der südfranzösischen Atomanlage Marcoule ist ein Mensch getötet worden. Vier weitere Menschen wurden nach Angaben der französischen Atomaufsicht verletzt. Die Behörden geben Entwarnung, es sei bislang außerhalb der Anlage keine Radioaktivität gemessen worden.

In der Atomanlage Marcoule in der Nähe von Avignon hat sich nach Angaben der französischen Atomaufsichtsbehörde (ASN) eine Explosion ereignet. Dabei ist ein Mensch ums Leben gekommen, vier Personen wurden verletzt, wie eine Sprecherin der Anlage mitteilte. Die Zeitung Midi Libre berichtet, sei eine Person schwer verletzt mit Rettungshubschrauber in eine Klinik nach Montpellier geflogen worden.

Bislang gibt es offenbar keinen Austritt von Radioaktivität. Außerhalb der Anlage sei kein radioaktives Material gemessen worden, betonte eine Sprecherin der Atomenergiekommission CEA. "Der interne Notfallplan ist in Kraft getreten, alles ist unter Kontrolle", sagte sie. Details zu Ursache und Sicherheitsstufe des Unfalls nannte sie nicht. Auch der Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) bestätigte, dass bislang keine Strahlung gemessen wurde.

"Es handelt sich um einen Industrieunfall, nicht um einen Atomunfall", teilte ein Sprecher des staatlichen Stromkonzerns Electricité de France (EDF) mit, dessen Tochterunternehmen Socodei die Anlage betreibt, wo sich der Vorfall ereignete. Nach Angaben des Betreibers geschah die Explosion um 11.45 Uhr in einem Verbrennungsofen für schwach radioaktive Abfälle.

EDF betonte, dass sich auf dem Gelände kein Atomreaktor befinde. Sprecherin Carole Trivi sagte, nach der Explosion sei ein Feuer ausgebrochen, das jedoch unter Kontrolle gebracht worden sei. Die Ursache der Explosion war zunächst nicht bekannt, und es wurden Untersuchungen aufgenommen, wie Trivi weiter erklärte.

Die Behörden hatten unmittelbar nach dem Vorfall eine Sicherheitszone eingerichtet. Quarantäne- und Evakuierungsmaßnahmen seien nach dem Bericht von Midi Libre nicht eingeleitet worden. Das französische Innenministerium bekräftigte, dass keine Radioaktivität freigesetzt worden sei. Die Opfer seien durch die Explosion verletzt und nicht verstrahlt worden, sagte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur AFP. Die französische Atomaufsichtbehörde hat denn auch den Unfall inzwischen für beendet erklärt. "Dieser Unfall bedeutet keine Radioaktivität und keine Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung", teilte die ASN mit, die ihren Krisenstab wieder auflöste.

Die Anlage wird zum Teil von dem staatlichen Atomkonzern Areva für die Aufarbeitung abgebrannter Uran-Brennstäbe genutzt, aus denen in Öfen das Uran-Plutonium-Gemisch MOX produziert wird.

IAEA in Kontakt mit französischen Behörden

Zuvor hatte sich die Internationale Atomenergiebehörde IAEA eingeschaltet. Das IAEA-Zentrum für nukleare Notfälle sei sofort nach dem Zwischenfall aktiviert worden, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano in Wien vor Journalisten. Man habe bei der französischen Atomsicherheitsbehörde nach detaillierten Mitteilungen gefragt.

Die Atomanlage Marcoule liegt etwa 30 Kilometer nördlich von Avignon. Sie gehört zu den ältesten des Landes und ist auf den Umgang mit radioaktiven Materialien spezialisiert. Auf dem Gelände fanden die ersten industriellen und militärischen Experimente mit Plutonium statt.

Vorfall belastet Aktien der deutschen Energieversorger

Die Anlage besteht aus mehreren stillgelegten kleineren Reaktoren. Auf dem Gelände im Rhonetal ging bereits 1956 der Reaktorblock G-1 in Betrieb und lieferte als eines der weltweit ersten Akw kommerziell genutzten Atomstrom. Die vom Commissariat à l'Énergie Atomique (CEA) betriebenen Meiler G-2 und G-3 mit einer Bruttoleistung von jeweils 43 Megawatt folgten 1959 und 1960. Sie wurden 1980 beziehungsweise 1984 wieder vom Netz genommen.

France nuclear power plant Marcoule explosion

Archivbild der französischen Atomanlage Marcoule vom März 2011: Die Anlage besteht aus mehreren stillgelegten kleineren Reaktoren.

(Foto: dpa)

Auf dem Gelände befindet sich außerdem die Wiederaufbereitungsanlage UP1, in der seit 1958 Brennstäbe aus anderen Reaktoren aufbereitet wurden. Bis 1993 diente sie zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium. UP1 ist ebenfalls seit 1997 abgeschaltet. 1973 ging auf dem Gelände der Forschungsreaktor Phénix in Betrieb. Der lediglich zu Testzwecken genutzte Prototyp des pannenanfälligen Schnellen Brüters Superphénix, der 1998 endgültig abgeschaltet wurde, wurde nach mehreren kleineren Zwischenfällen 2010 selbst auf Dauer vom Netz genommen.

Derzeit wird das Gelände als Lager für atomaren Abfall und radioaktives Material genutzt. In einer speziellen Anlage wird hochradioaktiver Abfall mit geschmolzenem Glas gemischt und so fixiert. Ansonsten werden die Anlagen in Marcoule derzeit noch immer von Radioaktivität "gesäubert" und nach und nach abgebaut.

Die französischen Grünen forderten die Regierung zu Transparenz auf. "Die Anwohner und alle Franzosen müssen ohne Verzögerung über die Entwicklungen informiert werden", betonte Parteichefin Cécile Duflot. Nach der Katastrophe zu Fukushima habe die Regierung sich zu größtmöglicher Transparenz verpflichtet. Nun sei die Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. Auch nach dem Unglück von Fukushima hält Frankreichs Regierung an der Atomkraft fest und verweist auf die Sicherheit französischer Atomkraftwerke.

Die Explosion traf auch die deutschen Stromerzeuger. Nach Bekanntwerden des Unfalls sackten die Aktien der beiden großen deutschen Versorger E.on und RWE zwischenzeitlich auf neue Jahres-Tiefststände ab. Bereits zuvor waren die beiden Papiere in einem nervösen Umfeld wie die anderen Dax-Titel mit Abschlägen gehandelt worden.

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