Vermutlich war das Königshaus vorab darüber unterrichtet worden, dass Cristina, der zweiten Tochter des alten Königs Juan Carlos und der älteren Schwester von dessen Nachfolger Felipe VI., die Anklage droht. Deshalb war sie vorausschauend auch nicht zur Königsproklamation ihres Bruders in der vergangenen Woche eingeladen. Dennoch hat es die spanische Öffentlichkeit überrascht, dass der Untersuchungsrichter José Castro nach den Feierlichkeiten in Madrid nur wenige Tage verstreichen ließ, bis er nun mitteilte, dass die Beweise für eine Anklage wegen Mitwisserschaft bei Geldwäsche und Unterschlagung ausreichten.
Spanisches Königshaus:Infantin Cristina wird wegen Steuerbetrugs angeklagt
Dem spanischen Königshaus droht ein gewaltiger Imageschaden: Infantin Cristina, die Schwester des neuen spanischen Königs Felipe, muss sich vor Gericht verantworten. Es geht um Geldwäsche und Steuerbetrug.
Ob die 49-Jährige aber wirklich wegen der Missetaten ihres Mannes Iñaki Urdangarin, eines früheren Handballprofis, angeklagt oder gar verurteilt wird, ist längst nicht sicher. Denn die für das Verfahren zuständige Staatsanwaltschaft von Palma de Mallorca hat durchblicken lassen, dass sie die Beweise im Gegensatz zum Untersuchungsrichter nicht für ausreichend hält. Die ganz große Sensation, dass nämlich die Schwester des Königs auf der Anklagebank sitzen wird, könnte also ausbleiben. Unangenehm für das Königshaus ist es aber so oder so.
Felipe hat in der vergangenen Woche bei seiner Antrittsrede im Parlament betont, dass "alle vor dem Recht gleich" seien. Dies war schon als Hinweis verstanden worden, dass er keinerlei Versuche unternehmen werde, hinter den Kulissen seinen Schwager Urdangarin und möglicherweise auch seine Schwester vor einem Prozess zu bewahren.
Der neue König könnte bei einer Verurteilung seiner nächsten Verwandten durchaus Punkte in der Öffentlichkeit machen, die die großen Korruptionsaffären in Zeiten des wirtschaftlichen Booms hingenommen hat, dies aber in Zeiten der Krise nicht mehr tut. Eine empfindliche Strafe für Urdangarin - ihm drohen mehr als zehn Jahre Gefängnis angesichts der Methoden, wie er Millionen an öffentlichen Geldern in die eigene Tasche gewirtschaftet hat - wäre ein Signal für die gesamte Justiz. Denn bislang sind alle führenden Politiker, die in Korruptionsaffären verstrickt waren, mit Bewährungsstrafen davongekommen oder haben es geschafft, die Verfahren neu aufrollen zu lassen. Es hat sich gezeigt, dass die spanische Justiz den cleveren Anwälten der Trickser im Nadelstreifenanzug bislang nicht gewachsen ist.
Felipe könnte durch kluge Gesten den Prozess der Selbstreinigung einleiten
Chronologie zu Juan Carlos:Jahre des Niedergangs
Alles begann mit Iñaki Urdangarin und dessen dubiosen Geschäften. Eine Elefantenjagd, Korruptionsvorwürfe, Berichte über Affären und nichteheliche Kinder brachten Juan Carlos und das spanische Königshaus immer weiter in Verruf.
Andererseits aber könnte ein Prozess gegen die Infantin, der in allen Einzelheiten in der Öffentlichkeit ausgebreitet wird, all denen Argumente liefern, die das Königshaus für gänzlich überflüssig halten. Gerade in der Krise haben die Gegner der Monarchie kräftig Zulauf erhalten, in der jungen Generation unter 35 Jahren sind die Königstreuen längst in der Minderheit. Bei einem Prozess würde auch unweigerlich der Frage nachgegangen, was der damalige König Juan Carlos von den Durchstechereien seines Schwiegersohnes gewusst hat. Dieser hat sich im übrigen nicht anders benommen, als ein beträchtlicher Teil der politischen Elite in Spanien. Er hat nämlich zusammengerafft, was er bekommen konnte.
Ein Prozess um die Selbstbedienungsmentalität im Königshaus, mit oder ohne Cristina, könnte aber ein erster nachhaltiger Schritt zur Selbstreinigung der politischen Klasse sein. Felipe, der zwar kaum rechtliche und politische Kompetenzen hat, könnte hier durch Gesten Zeichen setzen. Aber er steht im Zwiespalt zwischen geschwisterlicher Solidarität und Erwartungen der kritischen Öffentlichkeit. Ein schwieriger Start für den neuen König.