Angst vor Hurrikan "Irene":Die Unruhe vor dem Sturm

Banges Warten auf "Irene": Wenn sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, werden an der Ostküste der USA mehr als 55 Millionen Menschen von dem Hurrikan betroffen sein. Auch über die Metropole New York könnte der Wirbelsturm hinwegziehen. US-Präsident Obama spricht jetzt schon von einem "Hurrikan historischen Ausmaßes".

Reymer Klüver, Washington

Das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben: ein Sturmmonster, das praktisch die gesamte Ostküste der USA heimsuchen könnte und Amerikas größte Metropole New York direkt bedroht. Und Hurrikan Irene, so befürchten US-Meteorologen, wird genau das tun.

Zwar befand sich das Auge des Sturms am Freitag noch weitab der US-Küste über dem Atlantik. Doch alle Computersimulationen prognostizieren, dass der Hurrikan vermutlich als Wirbelsturm der Kategorie 2 am Samstagnachmittag North Carolina erreichen und dann parallel zur Atlantikküste Richtung Norden ziehen wird. Sonntagnachmittag dürfte er New York erreichen.

Noch ist offen, wie nahe er der Metropole kommen wird. Im Lauf des Donnerstags hatte sich der Sturmpfad in den Prognosen der Wetterforscher kontinuierlich nach Westen direkt über die Stadt verschoben, zwischen die Stadtteile Manhattan und Brooklyn. Am Freitag indes gingen die meisten Computermodelle davon aus, dass Irene im Osten der Stadt abgeschwächt als Hurrikan der niedrigsten Kategorie eins oder als tropischer Sturm über Long Island hinwegziehen und Kurs auf Boston nehmen wird.

US-Präsident Obama brach seinen Urlaub ab, er wollte noch am Freitagabend nach Washington zurückfliegen. Alles deute auf einen "Hurrikan historischen Ausmaßes hin", sagte er. Mehr als 55 Millionen Menschen könnten betroffen sein.

Auch wenn der Sturm nicht direkt über die Wolkenkratzer von Manhattan hinwegzieht, werden schwere Schäden befürchtet. Der Sturm dürfte enorme Wassermassen in die Bucht vor New York, den Hudson und East River drücken, die beiden Flüsse, die Manhattan umgeben. Die Südspitze Manhattans könnte überflutet werden, einschließlich der Wall Street und der gigantischen Baugrube an der Stelle des ehemaligen World Trade Center, wo in zwei Wochen die Gedenkfeier für die Anschläge von 9/11 stattfinden soll.

Die Rollbahnen von Kennedy-Airport, dem verkehrsreichsten der New Yorker Flughäfen, sind ebenso bedroht wie das Tunnelsystem der Subway sowie die Straßen- und Eisenbahntunnel nach Manhattan. Bürgermeister Michael Bloomberg ordnete am Freitag die Evakuierung tiefliegender Stadtgebiete an. 250.000 Menschen trifft das. Die New Yorker Verkehrsbetriebe kündigten die Einstellung des gesamten U-Bahn- und Busbetriebes für Samstagmittag an. Von einem Hurrikan getroffen wurde New York das letzte Mal 1821.

Die Gouverneure entlang der Küste riefen die Bevölkerung auf, den Sturm ernst zu nehmen und Schutz zu suchen. "Das könnte ein Sturm werden, wie er in 100 Jahren nur einmal vorkommt", sagte New Jerseys Gouverneur Chris Christie. Sein Kollege in Maryland, Bill O'Malley warnte: "Das ist ein großer, ein todbringender Sturm." In North Carolina und Maryland wurde bereits die Evakuierung von Küstengemeinden angeordnet, darunter Ocean City, einem Städtchen von knapp 8000 Einwohnern - aber mit Zehntausenden Urlaubern.

Irene ist so groß wie der Hurrikan Katrina

"Einer meiner schlimmsten Albträume war immer ein Hurrikan, der die ganze Nordostküste hinaufzieht", sagt der frühere Direktor des National Hurricane Center in Florida, Max Mayfield. Sein anderes Albtraum-Szenario war ein Hurrikan, der direkt das Mississippi-Delta und New Orleans treffen würde: Das wurde wahr, als Hurrikan Katrina vor sechs Jahren die Stadt überflutete.

Irene, prophezeit er, werde ebenfalls einen Schaden in Milliardenhöhe verursachen: "Das wird Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben." Auch der Chef der US-Katastrophenschutzbehörde Fema, Craig Fugate, richtet sich offenbar auf gewaltige Schäden ein: "Weitaus mehr Menschen leben im potentiellen Einzugsbereich des Sturms als bei anderen Hurrikanen". Fugate warnte vor massiven Folgen des Hurrikans auch jenseits der direkten Sturmschneise. "Dies wird nicht nur ein Küstensturm sein. Wir werden die Auswirkungen bis weit ins Landesinnere hinein spüren."

Vor allem zwei Faktoren bereiten den Meteorologen Sorgen. Zum einen ist da die schiere Größe des Sturmwirbels: Irene ist etwa so groß wie seinerzeit Katrina und dürfte Niederschläge in ein weites Gebiet tragen. Windgeschwindigkeiten von 110 Kilometern pro Stunde wurden am Donnerstag noch mehr als 100 Kilometer vom Auge des Hurrikans entfernt gemessen.

Bedenklich ist auch das geringe Tempo, mit dem sich die Sturmwolken Richtung Norden bewegen. Das wird lange, heftige Regenfälle zur Folge haben. Dabei hat die Ostküste der USA nördlich von Washington bereits kräftige Niederschläge hinter sich. Das wiederum dürfte umgestürzte Bäume zur Folge haben, die Stromleitungen treffen könnten - weshalb die Energieunternehmen vor Stromausfällen warnen.

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