Süddeutsche Zeitung

Angriff auf Satiremagazin "Charlie Hebdo":Deutsche Politiker bestürzt - und besorgt

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Von Stefan Braun, Berlin

Erschütterung und Solidarität ließen in Berlin natürlich nicht lange auf sich warten. Kaum waren die ersten Berichte über den Anschlag bekannt geworden, meldete sich die Kanzlerin. Sie hatte auf einem Flug nach London vom Ausmaß des Attentats erfahren. Angela Merkel sprach von einem "niederträchtigen Anschlag", betonte ihr "aufrichtiges Beileid".

Nicht so laut aussprechen und schon gar nicht betonen mochte die Berliner Regierung die Sorge, welche Folgen dieses Attentat auf die Debatte in Deutschland über Flüchtlinge, über Pegida und über die Gefahr durch Dschihadisten haben könnte. Dabei ist klar, dass der Anschlag von Paris genau jene Befürchtungen bestätigt, die auch deutsche Sicherheitsbehörden seit Längerem umtreibt: die Furcht, dass der verheerende Bürgerkrieg in Syrien und im Irak, der gewaltbereite Islamisten anlockt, in den EU-Staaten selbst die Gefahr brutaler Anschläge durch islamistische Terroristen erhöht. Erste Meldungen, die Attentäter seien offenbar sehr gut an Waffen ausgebildet, bekräftigten die Annahme, es könnte sich bei den Attentätern um heimgekehrte Dschihadisten handeln. Offen darüber sprechen wollte in Berlin an diesem Mittwoch allerdings niemand.

Ähnlich verhielt es sich mit der Befürchtung, das Attentat könnte die innenpolitische Debatte in Deutschland verändern. Bundestagsabgeordnete aus Koalition und Opposition mahnten, man dürfe jetzt weder vor den Terroristen einknicken noch islamfeindlichen Stimmungen mehr Raum geben. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), betonte, auf keinen Fall sollte man nun aus Vorsicht oder Angst eigene Überzeugungen aufgeben: "Es wäre fatal, wenn wir den Terroristen Erfolge schenken, indem wir uns zurückhalten", sagte Bosbach. "Und fatal wäre es auch, wenn Journalisten sich aus Angst nicht mehr trauten, ihre Meinung zu sagen."

Zugleich betonte der CDU-Innenexperte, der Anschlag sei Mahnung genug, nun mit aller Härte gegen den islamistischen Terrorismus und die gewaltbereite Salafistenszene vorzugehen. "Wer sich schon lange mit dem gewaltbereiten Islamismus beschäftigt, ist leider nicht überrascht", sagte Bosbach. Der CDU-Politiker hob hervor, dass sich der Dschihadismus gerade auch gegen friedliebende Muslime richte. Trotzdem befürchtet er, dass sich die Organisatoren der anti-islamischen Pegida-Demonstrationen nun bestätigt fühlen.

Ähnliche Sorgen äußerten die Grünen. Ihr Fraktionsvize Konstantin von Notz verurteilte das Attentat und rief alle Demokraten dazu auf zu verhindern, "dass dieser grauenvolle Anschlag auf Freiheit und Demokratie von denen schamlos demagogisch ausgenutzt wird, die sich rassistischer Parolen und fremdenfeindlicher Weltbilder bedienen".

Die Angst, dass der Anschlag von Paris auch Deutschland verändern könnte, war in Berlin in jedem Gespräch zu spüren - und wurde prompt verstärkt. Am Abend verbreiteten Pegida-Leute auf Facebook, der Anschlag scheine Wasser auf ihre Mühlen zu sein. Trotzdem werde man sich nicht brüsten, es schon immer gewusst zu haben: "Wir schweigen und werden am Montag wieder spazieren gehen - mit Trauerflor." Auch so kann man wohl kenntlich machen, wo man steht.

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Quelle:
SZ vom 08.01.2015
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