Süddeutsche Zeitung

An Methadon-Überdosis gestorbene Elfjährige:Prozess gegen Chantals Pflegeeltern eröffnet

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Prozess gegen Pflegeeltern eröffnet

Fast zwei Jahre nach dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal hat vor dem Hamburger Landgericht der Prozess gegen die Pflegeeltern begonnen. Chantal lebte bei dem Paar in Hamburg-Wilhelmsburg, als sie im Januar 2012 an einer Überdosis der Heroin-Ersatzdroge Methadon starb.

Das Gericht wirft dem 54 Jahre alten Wolfgang A. und der 50-jährigen Sylvia L. fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vor. Auf fahrlässige Tötung stehen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Geplant sind zunächst sieben Verhandlungstage.

Ungesichert herumliegende Tabletten und Waffen

Chantal hatte am Abend des 15. Januar 2012 eine von den drogensüchtigen Pflegeeltern ungesichert liegen gelassene Methadontablette eingenommen. Sie hatte geglaubt, es handle sich um ein Medikament gegen Übelkeit. Obwohl die Elfjährige am nächsten Tag nicht wie gewohnt um 6.30 Uhr wachzukriegen war und obwohl sie auch um 11.30 Uhr noch im Bett lag, verließ der Pflegevater die Wohnung. Am Nachmittag war Chantal tot. Die Anklage geht "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" davon aus, dass das Mädchen hätte gerettet werden können, wenn es medizinische Hilfe bekommen hätte.

In der Wohnung lagen neben Methadon-Tabletten auch Waffen ungesichert herum.

Das Landgericht hatte zunächst eine Anklage gegen die Pflegemutter Chantals nicht zugelassen. Das Oberlandesgericht gab dann jedoch der Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt und ließ die Anklage zu. Sylvia L. hätte dafür sorgen müssen, dass ihr Lebensgefährte die Methadontabletten sicher verwahrt.

Behörden in der Kritik

Die Empörung in Hamburg war besonders groß, weil das Mädchen unter Aufsicht des Jugendamtes stand. Der Behörde wurden schwere Fehler vorgeworfen, der damalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber trat wegen der anhaltenden Kritik zurück.

Vor einer knappen Woche hatte das Landgericht die Eltern der dreijährigen, zu Tode gequälten Yagmur verurteilt - die Mutter wegen Mordes, den Vater wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen. Auch Yagmur war zur Zeit der Misshandlung durch ihre Mutter vom Jugendamt betreut worden.

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