Amphitheater:Ein Dach für die Arena von Verona

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Regen und Sturm sollen dank einer komplizierten Konstruktion kein Problem mehr für Aufführungen in dem 2000 Jahre alten Amphitheater sein. Kritiker würden lieber die Qualität der Darbietungen verbessern.

Von Thomas Steinfeld

Die "Magie" der Arena von Verona, versichert die Stiftung, die das ehemalige römische Amphitheater betreibt, bestehe "in der Großartigkeit des Denkmals", das sich "jeden Sommer ins weltweit größte Freilichttheater" verwandele. Oft sei der Himmel über der Arena sternenklar, behauptet der Veranstalter. Manchmal aber erhöben sich die Bühnenbilder gegen einen "bewölkten und regendrohenden Himmel".

Für den Fall, dass es zu regnen beginnt, gibt es ein kompliziertes Regelwerk: Nie wird eine Veranstaltung vor der festgelegten Anfangszeit annulliert; wenn nicht pünktlich begonnen werden kann, darf um bis zu zweieinhalb Stunden verschoben werden; es besteht kein Anrecht auf Erstattung des Eintrittspreises, vielleicht aber auf eine Eintrittskarte für eine Aufführung zu einem späteren Zeitpunkt.

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Unzählige Geschichten über verregnete Abende in der Arena gibt es dennoch, von Menschen, die sich zu Tausenden in blaue Plastikumhänge wickeln, von tobenden Massen, die ihr Geld zurückhaben wollen, von verbitterten Romantikern, die schwören, nie wieder an diesen Ort zurückzukehren.

Komplizierte Vorgaben für den Bau eines Daches

Ein Dach könnte nicht nur solche Enttäuschungen verhindern, sondern auch, dass sich 1300 Mitarbeiter eines gewaltigen technischen und administrativen Apparats in Bewegung setzen und dann im Regen untergehen. Deswegen wurde im vergangenen März ein Wettbewerb für Architekten ausgeschrieben: Ein Dach soll der Arena aufgesetzt werden - in gewaltigen Maßen, denn das Oval, das mehrere Zehntausend Menschen fasst, misst fast 140 Meter in der Länge und 110 in der Breite.

Aber das Dach darf nicht zu sehen sein, wenn es nicht gebraucht wird, es muss in seiner Gestaltung zu einem fast 2000 Jahre alten Gebäude passen, es darf die berühmte Akustik nicht beeinträchtigen, und es darf nicht in die antike Substanz der Anlage eingegriffen werden. Passenderweise war der Umschlag der Unterlagen für die Bewerbung mit dem Bild einer transparenten Fliegenden Untertasse illustriert. Es bewarben sich dennoch mehr als 80 Architekturbüros, die meisten aus Italien, aber auch 24 ausländische.

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Es soll Opernaufführungen in dem antiken Gebäude vor Regen schützen - so soll es aussehen.

Gewonnen hat nun das Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner, die beim Wettbewerb zusammen mit den Ingenieuren der Stuttgarter Firma Schlaich Bergermann Partner auftraten - in einer Zusammenarbeit, wie sie bei anderen Projekten, dem zukünftigen Stadion von Warschau zum Beispiel oder dem Berliner Hauptbahnhof, auch schon praktiziert wurde. Ein von einer Membran überzogenes Seilnetz soll über die gesamte Öffnung der Arena gezogen werden. Gehalten werden die Seile durch einen Trägerring, der auf die oberste Galerie der Arena aufgesetzt wird. Wenn das Dach nicht gebraucht wird, verschwinden die Seile im Ring. Droht es zu regnen, verlassen die Seile mittels Winden ihre Parkposition im Ring. Wenn sie ihre Positionen erreicht haben, wird eine dünne Membran ausgefahren, um den eigentlichen Regenschutz zu gewährleisten.

Das Verfahren ist hochkompliziert und setzt, bei einer gesamten zu überdeckenden Fläche von mehr als 12 000 Quadratmetern, ein reibungsloses Funktionieren Tausender Mechanismen und Motore voraus: So sollen zum Beispiel auf den letzten Zentimetern hydraulische Spanner dafür sorgen, dass die Membran auch wirklich gespannt wird - und nicht etwa lose im Wind flattert.

In drei Jahren werde der Bau hoffentlich vollendet sein, sagt Dario Franceschini, Italiens Minister für Kultur. Kosten aber soll das Projekt nur 13,5 Millionen Euro, wovon ein großer Teil durch die Veroneser Firma Calzedonia, einen international agierenden Hersteller für Damenstrümpfe, Unterwäsche und Bademoden, aufgebracht werden wird. In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr italienische Modefirmen, darunter Tod's, Bulgari und Diesel, für den Erhalt italienischer Baudenkmäler engagiert.

Kritiker finden, die Verbesserung der künstlerischen Qualität sei wichtiger

Umstritten ist das künftige Dach trotzdem. Schließlich stehe das Amphitheater schon seit 2000 Jahren offen, meinen die Kritiker. Es wäre daher besser, das Geld für den Bau in eine Verbesserung der künstlerischen Qualität bei den Darbietungen zu stecken - dass sie zuweilen zweifelhaft ist, blieb auch in Verona nicht verborgen. Zudem befindet sich die Stiftung seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten: Im vergangenen Frühjahr drohte der Bankrott, vor einer Woche wurde das Ballett mit seinen 19 Tänzern aus ökonomischen Gründen entlassen, einem ständig ausverkauften Haus zum Trotz.

Das Dach mag teuer sein, sagen die Verteidiger des Projekts, es werde aber für einen stabileren und deswegen gewinnträchtigen Ablauf der Veranstaltungen sorgen. Nie habe es ein solches Dach gegeben, sagen die Architekten. Ob das als Versprechen oder Drohung zu verstehen ist, wird sich noch zeigen.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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