Prozess in London:Verlorene Ehe, verlorene Ehre

FILE PHOTO: Actor Depp and his wife Heard attend the red carpet event for the movie 'Black Mass' at the 72nd Venice Film Festival

Ein Foto aus besseren Tagen: Johnny Depp und Amber Heard als Ehepaar 2015 bei den Filmfestspielen in Venedig.

(Foto: Manuel Silvestri/REUTERS)

Eigentlich muss ein Gericht in London nur entscheiden, ob die britische Zeitung "The Sun" Johnny Depp einen "Frauenschläger" nennen darf oder nicht. Der Prozess aber gibt tiefe Einblicke in die Abgründe einer gescheiterten Promi-Ehe.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist beinahe nebensächlich, welches Urteil an diesem Dienstag in den Royal Courts of Justice in London verkündet werden wird, denn die Verlierer stehen bereits fest: Es sind die Schauspieler Amber Heard und Johnny Depp, die sich in den vergangenen drei Wochen vor Gericht gegenseitig in aller Öffentlichkeit bloßstellten. Offiziell geht es bei diesem Prozess darum, ob die britische Zeitung The Sun Johnny Depp einen "wife beater" nennen darf, also einen, der seine Ehefrau schlägt. Im Kern aber ging es um die Abgründe einer gescheiterten Promi-Ehe.

Johnny Depp, 57, und die 23 Jahre jüngere Amber Heard hatten sich 2011 bei den Dreharbeiten zum Film "The Rum Diary" kennengelernt und 2015 geheiratet. Nur 15 Monate später reichte Heard die Scheidung ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Depp mit der Begründung, er habe sie geschlagen und emotional missbraucht. Die Vorwürfe zog sie ein Jahr später nach einer außergerichtlichen Einigung - sie bekam sieben Millionen Dollar - zurück. In einem gemeinsamen Statement hieß es damals: "Es gab niemals die Absicht, dem anderen physischen oder emotionalen Schaden zuzufügen."

Man mag bisweilen glauben, dass so eine außergerichtliche Einigung das Eingeständnis von Schuld sei - doch das stimmt nicht. Wer sich mit Promi-Anwälten wie Laura Wasser unterhält, die Trennungen von Angelina Jolie, Kim Kardashian und Heidi Klum verhandelt hat, der erfährt, dass es dabei vor allem darum geht, das Gesicht zu wahren, einen Ruf nicht zu ruinieren. Durch den Verzicht auf Gerichtstermine sollen möglichst wenig intime Details an die Öffentlichkeit geraten. Also lieber ein bisschen mehr bezahlen und dafür mithilfe einer Geheimhaltungsvereinbarung und eines gemeinsamen Statements seine Ruhe haben.

Bei Johnny Depp und Amber Heard allerdings kam alles ganz anders.

Im April 2018 veröffentlichte Heard einen Text in der Washington Post mit dem Titel: "Ich habe mich gegen sexuelle Gewalt ausgesprochen - und den Zorn unserer Kultur zu spüren bekommen. Das muss sich ändern." Sie spricht Depp nicht direkt an, und doch wird klar: Sie wirft ihm vor, sie missbraucht zu haben und aufgrund seiner Prominenz damit durchgekommen zu sein. Sie selbst sei zum Schweigen gebracht worden: "Freunde und Berater haben mich gewarnt, dass ich nie wieder als Schauspielerin arbeiten würde." Johnny Depp verklagt Heard wegen dieser Vorwürfe auf Schadenersatz in Höhe von 50 Millionen Dollar. Das hat mit dem Prozess in England einerseits nichts zu tun - andererseits doch sehr viel.

"Johnnys Boxsack"

Die britische Sun hatte Depp in einem Artikel aus dem Jahr 2018 als "wife beater" bezeichnet, der Schauspieler zog die Sun dafür vor Gericht. Nach britischem Recht liegt die Beweislast bei der beklagten Sun; sie muss zeigen, dass "wife beater" keine Verleumdung, sondern eine Tatsache ist - und deshalb wurde jene Wäsche gewaschen, die Depp und Heard lieber im Waschkeller gelassen hätten. Alle Beteiligten mussten aussagen. Heard sprach von "lebensgefährlichen Momenten" und davon, dass sie "mehrere Jahre lang Johnnys Boxsack" gewesen sei. Er habe ihr ins Gesicht geschlagen ("Es fühlte sich an, als würde mein Auge rausfallen"), ihr Kopfstöße verpasst oder mit Flaschen nach ihr geworfen. Insgesamt geht es um 14 Vorfälle, die Gerichtsakten liegen der SZ vor.

Johnny Depp bestreitet alle Anschuldigungen, vor Gericht stellte er Amber Heard als Aggressorin in der Beziehung dar. Sie habe zum Beispiel eine Wodkaflasche nach ihm geworfen, ihn geschlagen oder, das war wohl der traurige Tiefpunkt dieses Prozesses, während einer Party im Jahr 2016 einen Haufen Exkremente in seinem Bett hinterlassen. "Das war kein Hund. Ich war überzeugt, dass entweder Frau Heard oder einer ihrer Begleiter das getan haben", sagte Depp vor Gericht, und es wurde eine Textnachricht gezeigt, in der Depp seine damalige Ehefrau als "Amber Turd" bezeichnete; als "Amber Scheißhaufen".

Die Anwälte der Sun legten nahe, das Gedächtnis von Depp sei durch den übermäßigen Genuss von Alkohol und Drogen getrübt - woraufhin der Schauspieler sich vermeintlich verteidigte mit der Aussage, seine Toleranzgrenze für all diese Substanzen sei ziemlich hoch. Im Gegenzug veröffentlichte Depps Seite ärztliche Atteste, denen zufolge Heard an Eifersucht, Unsicherheit und Angstzuständen gelitten und sie "wiederholt Medikamente missbraucht" sowie "schlimme Wutanfälle" gehabt habe.

Schlussplädoyers am Dienstag

Ach ja, und dann ging es vor Gericht auch noch darum, ob Amber Heard eine Affäre mit Tesla-Chef Elon Musk gehabt habe (es wurden SMS zwischen den beiden verlesen, Heard behauptete, sich erst nach der Scheidung von Depp mit Musk getroffen zu haben), und auch darum, wie Depp mit früheren Partnerinnen umgegangen sei. Schauspielerin Winona Ryder zum Beispiel sagte per Video-Statement: "Ich will niemanden der Lüge bezichtigen - aufgrund meiner Erfahrung mit Johnny erscheint es mir unmöglich, dass diese Vorwürfe wahr sein können." Auch die französische Sängerin Vanessa Paradis, von 1998 bis 2012 mit Depp liiert, sprach sich in einem Statement für ihren Ex-Mann aus.

Am Dienstag werden beide Seiten ihre Schlussplädoyers halten, danach wird Richter Andrew Nicol ein Urteil fällen. Wohlgemerkt: Es geht ausschließlich darum, ob die Sun in Zusammenhang mit Depp den Begriff "wife beater" benutzen darf und welche Konsequenzen das Urteil bei der Berichterstattung über Promis haben könnte. Deshalb gilt der Prozess als möglicherweise wegweisend - nicht wegen der Vorwürfe, die Heard und Depp einander gemacht haben.

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