Gerade in diesen Tagen des wiederkehrenden Populismus sucht man ja verzweifelt nach etwas, was die Menschheit, so verschieden sie auch ist, irgendwie zusammenhält. Etwas, worauf sich wirklich alle einigen können. Also frittiertes Gemüse zum Beispiel, Badeschlappen oder koffeinhaltige Brause. Und deshalb kommt einem auch diese medizinische Studie des Medical College of Wisconsin gerade recht: Zehnminütiges, tägliches Singen von „Amazing Grace“ ist gut für die Herzgesundheit, so behaupten Mediziner.
Tatsächlich ist das schöne christliche Lied über göttliche Gnade in der sogenannten westlichen Welt oft zu hören. Auf Hochzeiten und Beerdigungen zum Beispiel, auf Demonstrationen oder – gesungen von der Krankenschwester Lori Marie Key – im Jahr 2021 bei der Inauguration von Joe Biden. Doch was für die einen gesundheitsfördernd sein mag, kann bei anderen Kopfschmerzen verursachen. Wer zum Beispiel das Lied „Leuchte auf, mein Stern Borussia“, welches auf den Harmonien von „Amazing Grace“ basiert, mal im Stadion vernommen hat, dem stößt die Melodie danach womöglich sauer auf. Zum Beispiel als St.-Pauli-Fan.
Und so bleibt das Grundproblem, dass all das, was den einen vielleicht guttut, für andere lästig sein kann. Einen Ausweg für die gesamtmenschliche Herzgesundheit bietet hier eigentlich nur der regelmäßige, möglichst stille, gemeinschaftliche Konsum von Tee. Denn dessen beruhigende Wirkung wird wirklich nirgendwo auf der Welt angezweifelt. Obwohl: Wer ein echter Populist ist, findet da sicher auch noch was.