Süddeutsche Zeitung

Am Ende der Welt:Von der Meuterei zur Vergewaltigung

Auf der Südseeinsel Pitcairn leben die Nachfahren der Meuterer auf der "Bounty". Vier von ihnen sitzen bereits im Gefängnis. Nun wurden zwei weitere Bewohner verurteilt - obwohl einige Frauen sie entlasteten.

Gerhard Fischer

Pitcairn ist eine kleine, felsige Insel in der Südsee. Nach Neuseeland sind es 5500 Kilometer, nach Südamerika ebenfalls. Derzeit leben 47 Menschen im einzigen Dorf der Insel, in Adamstown. Vier von ihnen sind in einem Gefängnis eingesperrt - sie wurden im Oktober 2006 wegen Vergewaltigung und Kindesmissbrauchs schuldig gesprochen.

Am Montag wurden nun zwei weitere Männer wegen der gleichen Vergehen verurteilt. Alle Täter sind Nachfahren der legendären Meuterer von der Bounty. Einer von ihnen, Steve Christian, stammt vom Anführer der Rebellen ab: von Fletcher Christian.

Die Bounty war im 18. Jahrhundert von Großbritannien in die Südsee aufgebrochen. Das Wetter war mies, die Seeleute wurden krank, die Stimmung wurde immer schlechter. Am Morgen des 28. April 1789 wachte Kapitän William Bligh in seiner Kabine als Gefangener auf.

Ein Teil der Mannschaft meuterte, angeführt von Fletcher Christian (in einer Verfilmung grandios dargestellt von Marlon Brando). Christian setzte Bligh ein Bajonett auf die Brust. Anschließend wurde der Kapitän mit 18 Getreuen in einem Beiboot ausgesetzt, sie bekamen Nahrung für nur fünf Tage. Dennoch gelang ihnen die Rückkehr nach England.

Nur lose Kontakte zur Außenwelt

Fletcher Christian steuerte die Bounty nach Tahiti. Dort hatte die Mannschaft kurz zuvor einige Frauen kennengelernt. Christian, seine Mit-Meuterer, zwölf Frauen und sechs Männer aus Tahiti, ließen sich schließlich im Januar 1790 auf der menschenleeren Insel Pitcairn nieder. Über zwei Jahrhunderte hinweg entwickelte sich auf der nur 4,5 Quadratkilometer großen Insel eine autonome Gesellschaft, die bis heute nur lose Kontakte zur Außenwelt pflegt. Alle vier Monate kommt ein Versorgungsschiff aus Neuseeland vorbei.

Als 1999 Gerüchte von Vergewaltigungen und Missbrauch an zwölfjährigen Mädchen in die Welt hinaus drangen, schickte Großbritannien, das Pitcairn bis heute als Kolonie betrachtet, eine Polizistin auf die Insel. Sie sprach mit Frauen und Mädchen, die Gerüchte bestätigten sich. Gegen sechs Männer wurde im Herbst 2004 Anklage erhoben - wegen 55 Missbrauchsfällen in 40 Jahren.

Die Verteidiger führten an, dass die britische Rechtsprechung für Pitcairn nicht gelte. Schließlich gebe es keine Dokumente dafür, dass die Insel tatsächlich Kronkolonie sei. Zudem hätten sich die Seeleute durch ihre Meuterei quasi von der Krone losgesagt und eine Art unabhängigen Staat auf Pitcairn gegründet. Darüberhinaus berief sich die Verteidigung auf Traditionen in Polynesien: Sex mit Teenagern sei dort weit verbreitet; selbst Frauen von Pitcairn verteidigten die Angeklagten.

Im Oktober 2006 scheiterten vier Männer mit ihrer Berufung und wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und sechs Jahren verurteilt - unter ihnen der frühere Bürgermeister von Pitcairn, Steve Christian, und sein 80-jähriger Schwiegervater Len Brown. Am Montag wurden nun zwei weitere Männer schuldig gesprochen. Ein Gericht in Auckland in Neuseeland verurteilte einen 53-jährigen Angeklagten zu sechseinhalb Jahren Haft, einen 31-jährigen zu dreieinhalb.

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SZ vom 6.3.2007
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