Jeden Donnerstag kommt in einem Kellerraum im Wiener Pensionistenheim Haus Atzgersdorf eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren zusammen, um Bier zu brauen. Die Lagerbiersorten "Oma" und "Opa" und die zwei hellen Biersorten "Hellmut" und "Hellga" werden danach an allen 30 Standorten des Seniorenheimbetreibers verkauft, die Einnahmen würden in etwa die Kosten decken, heißt es. Die Senioren brauen, befüllen, waschen und etikettieren die Flaschen. Helmut Riegerbauer, 82, pensionierter Maler aus Wien, machte von Anfang an mit bei dem betreuten Projekt.
SZ: Herr Riegerbauer, sogar der US-Fernsehsender CBS Miami war schon bei Ihnen zu Besuch, um über Ihr Bier zu berichten. In dem Beitrag heißt es, in einem österreichischen Seniorenheim habe man "das Rezept für Glück im hohen Alter" gefunden. Was sind die Zutaten für dieses Rezept?
Helmut Riegerbauer: Malz und Hopfen und ...
... ach, so einfach ist das? Sie scheinen ja ein begeisterter Biertrinker zu sein!
Nein, nein, ich trinke nur zum Mittagessen a Glaserl Bier. Aber mir schmeckt das "Opa"- und das "Oma"-Bier besser als das "Hellmut", es ist stärker, malziger. Das andere ist ein Leichtbier. Ist eher für die Frauen, glaube ich.
Auf jeden Fall interessieren sich jetzt alle dafür, sogar im Ausland. Was macht das Seniorenbier Ihrer Meinung nach so populär?
Das frage ich mich auch. Das kommt halt aus dem Altersheim, lauter Pensionisten arbeiten dran.
Dabei wollen die Jungen heutzutage von alten weißen Männern doch gar nichts mehr wissen.
Ja, stimmt eh! Aber gerade in der Küche haben die Alten eben mehr gelernt, von den Großeltern schon. Früher hat man selber Brot gebacken, das kauft man heute lieber, um keine Arbeit zu haben.
Erzählen Sie doch mal vom Bierbrauen.
Ich mache fast alles, vom Einmaischen bis zum Etiketten picken. Nur das Abfüllen, das mache ich nicht, weil das so stark schäumt, da muss man verdammt aufpassen. Das machen die Chefs. Mir ist das zu gefährlich.
Aber mal ehrlich, stören sich Ihre Mitbewohner denn nicht am Hopfengeruch?
Oh ja, das zieht durchs ganze Haus, wenn die Tür offen ist, vom Keller rauf bis in den siebten Stock. Und manche schimpfen: "Eucha Bier, eucha Bier, das stinkt!"
Und dann?
Dann sag ich, kommt's runter, tut's mitarbeiten, dann riecht ihr das Bier nicht mehr, weil man sich daran gewöhnt. Die Männer kommen dann, aber die Damen eher nicht. Meine Frau will auch nicht mitmachen. Männersache, sagt sie. Dabei haben wir zwei Frauen dabei, die eine ist schon 92, die sitzt am Tisch und etikettiert. Ich bewundere die Dame.
Bringt der Geruch des Biers denn auch Erinnerungen an früher auf, Herr Riegerbauer? An die Exzesse der Jugend?
Nein, ich hab ja nie was zu tun gehabt mit dem Bier. Früher bin ich viel mit dem Radl gefahren, da durfte ich gar keinen Alkohol trinken. Manche sitzen im Wirtshaus und trinken einen Krug nach dem anderen nieder, so einen Krug würde ich gar nicht runterbringen.
Verraten Sie uns doch noch Ihr ganz persönliches Rezept fürs Glücklichsein!
Unterhaltung. Aber damit meine ich nicht das Fernsehen. Kriminalfilme will man ja nicht mehr sehen, jeden Tag ist es das Gleiche. Unterhaltung mit anderen Menschen, darum geht's. Wie beim Bierbrauen, da wird gelacht und geblödelt. Und das Spazierengehen, das ist auch wichtig. Die Luft, die Luft!
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