Hamburg:Der goldene Stein des Anstoßes

Der Findling Alter Schwede am Elbstrand in Hamburg ist von Unbekannten mit Goldfarbe übermalt worde

217 Tonnen schwer, viereinhalb Meter hoch und seit Neujahr vergoldet: Der Findling "Alter Schwede" am Elbstrand in Hamburg.

(Foto: Markus Tischler/imago)

Der "Alte Schwede" von Övelgönne hat zum neuen Jahr einen goldenen Anstrich bekommen. Von wem ist nicht bekannt. Nun soll er wieder ergrauen - gegen den Willen der Hamburger.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Der Alte Schwede ist ein Stein. Deshalb muss sich keiner Sorgen um sein Befinden machen. Aber ein bisschen traurig sieht er schon aus am Freitagmittag auf seinem Platz im Sand des Elbstrands von Hamburg-Övelgönne: irgendwie matt und mitgenommen. Als wäre er nach einer durchzechten Nacht mit dem Abschminken nicht fertig geworden. Regen und Schnee haben der Vergoldung zugesetzt. Die Graffiti sind verwischt nach den ersten Einsätzen der Reinigungskräfte. An manchen Stellen schimmert schon wieder der graue Fels durch. Selbst für einen Stein ist es in diesen Zeiten nicht einfach, seine Würde zu bewahren.

Die Vergoldung des alten Schweden ist keine Sage aus der Mythenwelt. Sondern eine Episode, die schon mal passieren kann im noblen, freigeistigen Stadtstaat Hamburg. Bürgertum und kreativer Widerstand leben hier in enger Nachbarschaft, es ist deshalb gut möglich, dass die Überraschung gar nicht so groß war, als Spaziergänger am Neujahrstag den mächtigen Findling mit einem ganz neuen Anstrich vorfanden. Seit bald 20 Jahren ragt der Stein still und majestätisch am Hans-Leip-Ufer von Övelgönne auf. Jetzt sah er plötzlich so aus, als hätte König Midas ihn berührt. In einer gut geplanten Nachtaktion müssen irgendwelche Lackier-Künstler das Werk vollbracht haben. Die Farbe hatte Kraft, der Fels wirkte wie ein riesiger Goldklumpen, den ein reicher Hamburger Kaufmann in den Elbsand gesetzt hatte. Ein Zeichen? Ein Spaß?

Zustimmung für das Gold

Jedenfalls mochten viele Menschen den neuen Alten Schweden. Sie kamen, um ihn zu sehen und sich mit ihm zu fotografieren. Eine Online-Petition forderte, der Stein solle golden bleiben. Eine NDR-Internetumfrage ergab 80 Prozent Zustimmung für das Gold. Aber Geologen und Denkmalschützer mussten die Farbe am Stein ganz anders sehen. Für sie ist der Fels ein Zeitzeuge aus der Elster-Eiszeit, ein seltenes Prachtstück: Grauer Växjö-Granit, 217 Tonnen schwer, viereinhalb Meter hoch, gezeichnet vom Gletschertransport, der den Brocken vor etwa 400 000 Jahren aus Ostsmåland in den Hamburger Raum brachte. 1999 wurde der Stein beim Ausbaggern der Elbe gefunden. Die Bergung gelang erst im zweiten Versuch. Einige Monate später wurde er getauft. Seither ist er der "Alte Schwede", eine Attraktion für Hansestadt-Besucher und ausweislich eines Schildes "Hamburgs ältester Einwanderer".

Der Stein steht im Range eines Naturdenkmals. Das bedeutet, man darf auf ihm nicht herumklettern, ihn nicht beschmieren oder sonstwie verändern. Vergolden ist demnach verboten. Und als auch noch die Graffiti mit politischem Inhalt dazu kamen, reichte es der Hamburger Hafenbehörde HPA, die für den Stein zuständig ist. "Die HPA hat sich in Absprache mit der Behörde für Umwelt und Energie dazu entschlossen, die Symbole sowie auch die Reste der Goldfarbe zu entfernen", meldet die HPA. Die Reinigung wird ein bisschen dauern, zumal der Stein auch wieder eine Anti-Graffiti-Schicht bekommt. Aber bald soll nichts mehr an die wilde Zeit erinnern, als der große graue Alte Schwede wie ein Goldklumpen aussah.

Zur SZ-Startseite
Hamburg Reportage Elbschlosskeller Kiez Reeperbahn

Hamburg unter Tage
:"Wir sind die letzten Kiezianer!"

So sauber und aufgeräumt wie heute war Hamburg noch nie. Gibt es noch einen Platz für Menschen, die alles verloren haben? Zu Besuch im Elbschlosskeller auf der Reeperbahn.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: