SZ-Kolumne "Alles Gute":Normalität genießen

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Autorin hat eine Covid-19-Erkrankung überstanden. Und ist froh, dass sie niemanden angesteckt hat.

Von Ulrike Heidenreich

Es ist eine wahre Freude: Endlich die Eltern besuchen und fest umarmen. Endlich im Supermarkt ohne mieses Gefühl den Einkaufswagen anfassen. Endlich wieder locker mit anderen Menschen reden - natürlich mit dem sozial gebotenen Zwei-Meter-Abstand, aber ohne dieses innerliche Erstarrtsein. Dies alles sind Verhaltensweisen, die in ferner Zukunft vielleicht wieder normal erscheinen. Für mich aber ist das jetzt alles normal. Ich habe eine Covid-19-Erkrankung überstanden. Ich bin nicht mehr ansteckend. Und ich bin immun gegen Corona - für einen längeren Zeitraum zumindest, das vermuten viele Wissenschaftler.

Natürlich ist es alles andere als erstrebenswert, eine Woche mit hohem Fieber im Bett zu liegen und danach wieder auf die wackeligen Beine zu kommen. Darüber zu grübeln, wo man sich dieses verfluchte Virus nur eingefangen hat (keine Ahnung). Es ist auch kein gutes Gefühl, 20 Kolleginnen und Kollegen, mit denen man in einer Konferenz saß, in die Quarantäne geschickt zu wissen. Zwiespältig zudem der Gedanke, der hin und wieder durch den Kopf schießt: Im allergrößten Notfall wäre ja jetzt noch ein Platz auf der Intensivstation frei. Und man mag sich nicht vorstellen, wie es vielleicht in ein paar Wochen denjenigen im Krankenbett geht, die wesentlich schlechter dran sind. Die plötzlich Luftnot verspüren und wissen: Jetzt wird es eng.

In dieser Zeit, in der man zur noch kleinen Gruppe der ersten 100 000 (nachweislich) Infizierten von rund 81 Millionen Deutschen gehört, verschieben sich Wahrnehmungen. Ploppen im Mail-Eingang "Quarantine Notifications" auf, in denen die IT-Abteilung über Spam informiert, sieht der Tunnelblick: Aha, das ist jetzt endlich das Gesundheitsamt - und kann dann später herzlich drüber lachen. Ebenso über die schrägen Videoschnipsel und aufmunternden Mails, die selbst Kollegen schicken, die man bislang nur aus dem Aufzug kannte.

Es tut auch gut, wenn der fürsorgliche Hausarzt das Gerät zum Messen der Sauerstoffsättigung auf den Gartenzaun legt und behände davonspringt. Wenn die befreundete Ärztin einen chinesischen Tee zur Stärkung brauen lässt und glockenhell verkündet: "Garantiert ohne tierische Zutaten vom Markt, etwa vom Schuppentier." Apropos Tier: Von Kollegen, die man bislang für zurechnungsfähig gehalten hat, bekommt man absurde Streamingtipps, etwa die Trash-Doku "Großkatzen und ihre Raubtiere". War dann recht unterhaltsam, mag allerdings am Fieber gelegen haben. Und noch was: Lagerkoller mit renitenten Kindern? Kenne ich nicht. Die kamen immer zuckersüß mit Tee an die Zimmertür. Unter der Maske, glaube ich, lächelten sie.

Am Ende der Selbstisolation ist es schön zu wissen, dass man offenbar niemanden angesteckt hat. Die Tests im Kollegen- und Familienkreis waren negativ. Auffällige Symptome gab es auch nicht. Mein Blutplasma kann ich nun spenden, mit den Antikörpern werden schwerkranke Corona-Patienten behandelt. Und wenn ich die Statistik lese, in der die bereits geheilten Personen erfasst sind, weiß ich: Die 1 ganz hinten an der langen Zahl - das bin dann wohl ich.

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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