SZ-Kolumne "Alles Gute":Bärige Zeiten in Frankreich

Corona und Alltag
(Foto: Steffen Mackert)

Umgesiedelt, angegriffen, eingeengt: Bislang hatten es Bären nicht immer leicht in den französischen Pyrenäen. Nun wachen sie aus dem Winterschlaf auf - und finden eine Welt ganz ohne Menschen vor.

Von Nadia Pantel

Als in Frankreich die Menschen ihre Nudelvorräte verstauten und sich darauf einstellten, ein paar Wochen lang nicht mehr vor die Tür zu gehen, verließ Sorita ihre Höhle. Den ungewöhnlich milden Winter hatte sie verschlafen, es war Mitte März und Sorita lief hinaus ins Aspe-Tal. Der Beginn der Ausgangssperre in Frankreich fiel mit dem Ende des Winterschlafs der Bären zusammen.

In einer idealen Welt könnten Bären und Menschen zufrieden aneinander vorbei leben. Soritas bisherige Erfahrungen sind weniger ideal. In ihren zehn Bärenjahren hat sie bereits eine Umsiedelung, einen Helikopterflug und Morddrohungen hinter sich gebracht. Im Oktober 2018 wurde sie auf Anordnung des französischen Umweltministeriums über den Pyrenäen abgeseilt. Ein 150-Kilo Bär, der in einem kleinen Käfig in der Luft baumelte, denn Bären-Gegner hatten Lastwagen quer auf die Zufahrtsstraßen zum Aspe-Tal geparkt und eine Barrikade aus Strohballen angezündet.

In Paris fanden sie die Ansiedelung von slowenischen Bärinnen eine prima Idee. Im Südwesten Frankreichs war die Bärenskepsis groß. Es gab sogar eine Gruppe Vermummter, die in einem martialischen Video zur Bärenjagd aufriefen.

Nicht nur Soritas Geschichte zeigt: Das Verhältnis der Franzosen zum Bären ist kompliziert. Einerseits löste der Regisseur Jean-Jacques Annaud 1988 mit seinem Film "Der Bär" (für den Oscar nominiert, mit dem César ausgezeichnet) eine große Welle der Bärensympathie aus. Andererseits wurde zur selben Zeit die Population französischer Pyrenäenbären so stark dezimiert, dass 1995 nur noch fünf Tiere gezählt wurden.

Auch die Wildhüter sind im Home-Office

1997 begannen die Bärenimporte aus Slowenien. Einer der Ersten, die damals kamen, ist Néré. Er tat, was von ihm erhofft wurde und zeugte einen kleinen Bären, Cannellito.

Der inzwischen 14-jährige Cannellito scheint aktuell noch zu schlafen, sein Vater Néré ist hingegen schon unterwegs. Am 17. März, kurz vor Beginn der landesweiten Ausgangssperre, wurden seine Fußspuren entdeckt.

Abgesehen davon, dass Néré und auch Sorita wach sind, weiß man nun aber wenig über Frankreichs Bären. Wandern ist inzwischen verboten und die Wildhüter arbeiten im Home-Office. Sicher ist nur: So wenig Mensch und so viel Bär gab es in den Pyrenäen seit Jahrzehnten nicht.

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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