Süddeutsche Zeitung

All Age:Aber der Rest war ich

Buch oder Leben: das fragt sich die Heldin der wunderbar durchgeknallten Geschichte "Und du kommst auch drin vor", in der die Autorin Alina Bronsky ihre Heldin verstört, weil sie in einem Buch sich selbst und ihr zukünftiges Leben entdeckt.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Mit ihrem Debütroman: "Scherbenpark" begann für Alina Bronsky eine steile literarische Karriere. Er wurde 2008 für den Aspekte-Literaturpreis und 2009 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Zwei ihrer Romane standen 2010 und 2015 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter, als die deutsche Sprache nicht ihre Muttersprache ist. Sie wurde in Russland geboren und verbrachte ihre Kindheit auf der asiatischen Seite des Urals. Erst nach der Umsiedelung ihrer Familie nach Deutschland lernte sie als Jugendliche die deutsche Sprache, in der sie ihre Heldinnen und Helden nun in respektlosem Ton voller Selbstironie und mit vielen schrägen Dialogen zu Wort kommen lässt.

Ihr Jugendroman "Und du kommst auch drin vor" beginnt mit einer Lesung in der örtlichen Bücherei, die die Deutschlehrerin der lustlos-aufmüpfigen Klasse der 14-jährigen Kim verordnet hat, und die von ihr nun wunderbar komisch kommentiert wird. Bis die Autorin zu lesen anfängt: "Nur ich, ich hörte zu. Und ich konnte es nicht fassen. Was diese Leah Eriksson da nuschelte, handelte von mir. Von meiner Familie. Von meinem Leben. Von meinen Gedanken. Es kamen andere Namen drin vor und ein paar unwichtige Details stimmten nicht. Aber der Rest war ich."

Obwohl Kim eigentlich nicht liest, kauft sie sich das Buch und findet immer mehr Parallelen. Wie die Heldin ist auch sie ein Scheidungskind, ihr Vater ist vor zwei Monaten ausgezogen, hat - wie sie schockiert feststellt, als sie ihn unangemeldet besucht - eine neue, dunkelhäutige junge Frau, die auch noch schwanger ist. Kims Mutter hungert und ist keinerlei Hilfe. Kim hat keine Geschwister, aber seit der ersten Klasse eine beste Freundin, Petrowna, die eigentlich Erna heißt und aus einer kirgisischen Großfamilie stammt und ein absoluter Überflieger ist. Sie ist die eigentliche Heldin des Romans, in ihrer Klasse hört man auf sie, denn sie strahlt eine natürliche Autorität aus und gilt trotz ihrer guten Noten nicht als Streberein. Ohne sie geht bei Kim gar nichts, und auch jetzt braucht sie ihre Hilfe. Denn die Lehrerin teilt die Kinder in Zweiergruppen ein, die das Buch zu Ende lesen und darüber referieren sollen. Kim bekommt Jasper als Partner, in dem sie den Jungen Jonathan aus dem Buch zu erkennen glaubt, der am Ende der Geschichte dummerweise an einer Allergie auf einen Wespenstich stirbt.

Jasper allerdings scheint sich in Jonathan nicht wiederzuerkennen, während für Kim und Petrowna Realität und Fiktion immer mehr ineinander übergehen, und sie glauben, den Tod von Jasper alias Jonathan unbedingt verhindern zu müssen. Ihr Versuch, die Autorin dazu zu bringen, das Buch umzuschreiben, scheitert, und deren Rat, Kim möge ihr Leben so ändern, dass sie keine Ähnlichkeit mit der Heldin im Buch mehr hätte, endet mit einem Fiasko. So muss Petrowna ein anderes Ende schreiben, um Jasper zu retten.

Damit könnte die aberwitzige Geschichte enden, doch Alina Bronsky hält für ihre großartige Persiflage auf die Verquickung von Leben und Literatur noch eine überraschende Wendung samt Happy End bereit und entlässt ihre Leser in bester Stimmung. (ab 12 Jahre)

Alina Bronsky: Und du kommst auch drin vor. Dtv junior, München 2017. 192 Seiten, 15,95 Euro.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2017
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