Süddeutsche Zeitung

Alexis Arquette:Bruder und Schwester

Lesezeit: 2 min

"Sie hat uns Toleranz gelehrt": Die Schauspielerin Alexis Arquette, die als Junge geboren wurde und sich schon in der Schule bei den Mädchen in die Reihe stellte, ist tot.

Von Carolin Gasteiger, Los Angeles

In David Bowies Song heißt es, der "Starman" würde uns gern kennenlernen, aber im Himmel warten, weil wir noch nicht bereit für ihn seien. Alexis Arquette war bereit für ihn. Ihre Familie spielte diesen Song, als die Transgender-Schauspielerin am Sonntag im Alter von 47 Jahren starb. Zum Zeitpunkt ihres Todes klatschten ihre Angehörigen - ganz so, wie Arquette es sich gewünscht hatte. Angaben zur Todesursache gab es nicht.

Alexis Arquette kam 1969 als Robert Arquette zur Welt, hineingeboren in eine Schauspielerfamilie. Ihre Eltern waren Schauspieler, auch ihre vier Geschwister arbeiten im Showgeschäft, ihre Schwester Patricia gewann einen Oscar. "Alexis kam nicht nur als Bruder in unsere Welt, sondern als unser großer Lehrer", schrieb Richmond Arquette im Namen aller Geschwister auf Facebook. Als Robert eine Frau wurde, habe er sie als Schwester Toleranz, Akzeptanz und Liebe gelehrt. "Wir haben gelernt, was echte Tapferkeit bedeutet, als wir ihr Leben als Transgender-Frau beobachteten. Und wir haben die eine Wahrheit entdeckt: dass Liebe alles ist."

"Bin ich, wer ich bin, weil ich eine Frau bin? Ist das wichtig?

Alexis Arquette, damals noch Robert, liebte es schon als Kind, sich zu schminken, trat auch mal als ihre Schwester Patricia auf und stellte sich in der Schule, wenn sich Jungen und Mädchen getrennt aufreihen sollten, immer in die Mädchenschlange. Sie entschied sich schon in jungen Jahren, als Frau zu leben. Mit Ende 30 ließ sie ihr Geschlecht in einer Operation angleichen. Ob sie nun schwul sei oder nicht, ob Frau oder Mann, habe keine große Bedeutung für Alexis Arquette gehabt, erzählte ihr Bruder David auf CNN. Patricia Arquette erinnert sich an die Worte ihrer Schwester: "Was macht es für einen Unterschied, in welchem geschlechtlichen Container wir uns befinden? Bin ich, wer ich bin, weil ich eine Frau bin? Ist das wichtig?" Eines war Alexis Arquette jedoch klar: dass sie es als Mitglied einer berühmten Familie leichter hatte als andere. Ihre Wandlung zur Frau begleitet die Dokumentation "Alexis Arquette: She's my brother".

Hinter ihrem Status als Transgender-Ikone droht ihre künstlerische Karriere allerdings zu verblassen. Mit dem Drama "Letzte Ausfahrt Brooklyn" wurde sie 1989 bekannt, sie spielte in Tarantinos "Pulp Fiction", der Horrorkomödie "Chucky und seine Braut" und der Komödie "Hochzeit zum Verlieben" mit, in der sie Boy George imitierte. Der Sänger schrieb auf Twitter: "Ein weiteres helles Licht ist viel zu früh erloschen." 1994 stand Alexis Arquette als Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald in John Malkovichs Bestseller-Adaption "Libra" auch auf der Bühne. Sie war aber nicht nur Schauspielerin, sondern auch Malerin, Sängerin - und ein paar Jahre lang Spielzeug-Designerin bei Mattel. "Sie lehnten unsere brillanten erzieherischen Ideen ab, um dumme Stücke aus Plastikmüll zu produzieren", erzählte sie hinterher frustriert.

Ihr Werk war für Arquette selbst nachrangig. In einem Interview mit dem Index Magazine sagte sie 1999: "Du willst dafür gemocht werden, wer du bist, nicht dafür, was du getan hast oder wer du geworden bist." In dieser Hinsicht ist Arquette nicht nur ein Vorbild für Transgender-Menschen. Ihr Bruder David verabschiedete sich auf Twitter mit den Worten "Meine Heldin für die Ewigkeit" von seiner älteren Schwester.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3158506
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.09.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.