Süddeutsche Zeitung

Erfurter Gutenberg-Gymnasium:Die Angst kehrt zurück

Schrecken am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt: Fast neun Jahre nach dem Amoklauf mit 17 Toten wird die Schule evakuiert. Unbekannte hatten eine Bombendrohung ausgesprochen. Ein Sprengsatz wurde nicht gefunden.

Christiane Kohl

Es war nur eine leere Drohung, wie die Polizei nach einer gründlichen Durchsuchung der Schule klarstellte. Und doch saß der Schreck bei Schülern und Lehrern tief, als am Montagmorgen das Gutenberg-Gymnasium in Erfurt geräumt werden musste: Eine schriftliche Bombendrohung war der Grund - sie brachte auf einen Schlag die Erinnerung an jenen furchtbaren Tag vor knapp neun Jahren zurück, als in dem Gymnasium 17 Menschen ihr Leben lassen mussten.

Schulleiterin Christiane Alt, die schon während des Amoklaufs im Jahr 2002 das Gymnasium geleitet hatte, handelte äußerst besonnen: Morgens um kurz vor zehn informierte sie die Polizei und setzte zugleich den Notfallplan der Schule in Kraft. Danach wurden alle 500 Schüler Klasse für Klasse ausquartiert und vorübergehend in einer anderen Schule untergebracht. Die Räumung des klassizistischen Schulgebäudes sei in Ruhe und ohne Panik abgelaufen, berichtete die Polizei.

Die Beamten überprüften zunächst "visuell" die Schulräume auf verdächtige Rucksäcke oder andere Gegenstände hin, wie Polizeisprecher Manfred Etzel berichtete. Dann setzten sie drei Spürhunde sowie Sprengstoffspezialisten ein. "Vom Dachboden bis zum Keller, von der Turnhalle bis zu den Waschräumen", jede Ecke der Schule sei durchsucht worden, sagte Etzel: "Es war absolut nichts zu finden."

Entsprechend wurde die Schule am frühen Nachmittag von den Beamten wieder freigegeben. Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass sich jemand einen üblen Scherz erlaubt haben könnte. Allein in Thüringen gab es im vergangenen Jahr 49 Amokdrohungen an den Schulen. Am Gutenberg-Gymnasium aber dürften solcherlei Drohungen weit reichendere Folgen bei Lehrern wie Schülern haben als andernorts.

Am 26. April 2002 hatte hier der ehemalige Schüler Robert Steinhäuser in einem beispiellosen Amoklauf zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten erschossen und schließlich sich selbst getötet. Die Tat war offenbar ein Racheakt, weil der 19-Jährige zuvor ohne Abschluss von der Schule verwiesen worden war.

Der Amoklauf von Erfurt löste eine Reihe von Veränderungen aus, sowohl im Waffenrecht als auch in der Schulpolitik. So müssen Menschen unter 25 für den Besitz einer Waffe seither ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorweisen, überdies wurden allerorten Notfallpläne für Schulen ausgearbeitet. Nach einem solchen Plan handelte nun auch die Schulleiterin des Gutenberg-Gymnasiums.

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SZ vom 11.01.2011/mob
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