Akupunktur:Heilsame Nadelstiche

Eine umfassende Studie der Berliner Charité belegt, dass Akupunktur Schmerzen bei Gelenkverschleiß lindern kann.

Von Christina Berndt

Die Akupunktur bleibt mystisch, selbst wenn bei der Behandlung mit den feinen Nadeln kein Naturkraut abgebrannt wird, wie es oft praktiziert wird.

Akupunktur: Tut gar nicht weh: Akupunktur.

Tut gar nicht weh: Akupunktur.

(Foto: Foto: ddp)

Seit fünf Jahren bemühen sich deutsche Ärzte im Auftrag der Krankenkassen intensiv, die Wirkung der Nadeln zu messen, die erstmals vor 4000 Jahren eingesetzt wurden. Klarer wird seit den Studien: Es gibt eine Wirkung. Aber warum, wissen nicht einmal Akupunkteure.

Gleichwohl haben die nadelnden Ärzte nun wieder einen kleinen Sieg errungen: Ihre Stiche helfen Patienten mit Gelenkverschleiß im Knie. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Claudia Witt von der Berliner Charité leitete und jetzt im Fachblatt Lancet veröffentlicht hat.

Akupunktur kann demnach nicht nur die Schmerzen lindern, die die Folge von Arthrose sind. Sie verbessert auch die Funktionsfähigkeit des Kniegelenks - zumindest über den Zeitraum von etwa acht Wochen.

300 Patienten und ein Losverfahren

Ebenso wie Akupunkteure waren viele Arthrose-Patienten davon längst überzeugt. Zudem wandten sich in den vergangenen Jahren immer mehr Kranke der Lehre von den richtigen Stichen zu.

Sie wollen die Nebenwirkungen ihrer Schmerzpillen nicht mehr akzeptieren. 300 willige Arthrose-Patienten waren in der Berliner Studie per Losverfahren in drei Gruppen aufgeteilt worden.

Die eine Gruppe erhielt zwölf Akupunkturbehandlungen nach allen Regeln der chinesischen Heilkunst, die zweite eine Schein-Akupunktur, bei der nicht so tief und an den falschen Stellen gestochen wurde, und die dritte bekam nur das Versprechen, in Kürze genadelt zu werden. Alle Patienten durften Schmerzpillen einnehmen, wenn sie wollten.

Nach acht Wochen hatte die echte Akupunktur klar gesiegt: Jeder zweite in dieser Gruppe hatte nach eigenen Angaben mehr als 50 Prozent Schmerzlinderung erfahren. Auf der Warteliste war es nur jeder zwanzigste Patient. Allerdings half auch die Schein-Akupunktur fast jedem vierten Patienten. Dementsprechend sank der Schmerzmittelverbrauch nur unter allen gepiksten Probanden.

Placebo-Stiche

Dass die Schein-Akupunktur vergleichsweise gut wirkte, ist den Vertretern der chinesischen Heilkunst verständlicherweise nicht so recht. Allerdings lagen die Placebo-Stiche diesmal deutlich hinter der echten Akupunktur zurück. Das war schon öfter anders:

Die Knie-Studie gehört zu einem von zwei Modellprojekten, die seit dem Jahr 2000 im Auftrag von Krankenkassen durchgeführt werden. Die Kassen wollen den Bundesausschuss dazu bewegen, das Nadelstechen zur Kassenleistung zu machen. Ende Juli wird erneut entschieden. Da kommt die Berliner Studie gerade recht.

"Vielleicht sind in den früheren Studien die Scheinpunkte und die Akupunkturpunkte nicht optimal ausgewählt worden", meint der Münchner Akupunkteur Josef Hummelsberger, ein Mitautor der neuen Arthrose-Studie. Auch Andre Moore vom Pain Research Center in Oxford ist ratlos. Pragmatisch sagt er: Wie auch immer die Nadeln funktionieren, die Patienten sagen, dass es ihnen besser geht. Und das sei doch wohl wichtig.

(SZ vom 8.7.2005)

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