Airbus der Air France abgestürzt:Zahl der deutschen Opfer erhöht sich auf 28

Traurige Gewissheit: Bei dem Absturz der Air-France-Maschine sind insgesamt 28 Deutsche ums Leben gekommen, teilte Außenminister Steinmeier mit.

Es war vermutlich ein schweres Unwetter, das zum Absturz der Maschine mit der Flugnummer AF447 führte: Experten rekonstruieren mit Hilfe der im Atlantik georteten Trümmerteile den möglichen Unglückshergang, bei dem 228 Menschen ums Leben gekommen sind, darunter auch 28 Deutsche. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) teilte diese Zahl in Berlin mit. Bislang war man von 26 deutschen Opfern ausgegangen.

Airbus der Air France abgestürzt: Das Satellitenbild zeigt die Wetterbedingungen gegen 2.15 Uhr am Montagmorgen, kurz bevor die Air-France-Maschine verschwand.

Das Satellitenbild zeigt die Wetterbedingungen gegen 2.15 Uhr am Montagmorgen, kurz bevor die Air-France-Maschine verschwand.

(Foto: Foto: AFP)

Suchflugzeuge haben über der Absturzstelle der Air-France-Maschine im Atlantik Trümmer - verteilt über fast 100 Kilometer - geortet. Daraus schließen die Experten, dass das Flugzeug vermutlich in großer Höhe auseinanderbrach.

Eine Kerosinspur im Ozean zieht sich über 20 Kilometer hin. Der brasilianische Verteidigungsminister Nelson Jobim hält deshalb eine Explosion für unwahrscheinlich. Die auf dem Wasser gefundenen Spuren sprächen dafür, dass es weder ein Feuer noch eine Explosion gegeben habe, erläuterte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

Unterdessen sorgt der Bericht einer spanischen Zeitung für neue Spekulationen: Ein spanischer Pilot will zur Zeit des Absturzes der Air-France-Maschine über dem Atlantik einen grellen Lichtschein beobachtet haben. Der Flugkapitän der Gesellschaft Air Comet habe beim Flug von der peruanischen Hauptstadt Lima nach Madrid "ein intensives Leuchten aus weißem Licht" gesehen, berichtete die spanische Zeitung El Mundo . Dieses habe sich "vertikal nach unten" bewegt und dann "in sechs Sekunden aufgelöst".

In seiner Erklärung berichtet er auch von heftigen Gewitterstürmen mit Blitzen: "Als wir am Rande von Französisch-Guayana ankamen, sind wir auf extreme Wolkenformationen gestoßen; wir waren gezwungen, die Flugroute um rund 60 Kilometer zu verlegen."

Dies schreibe der Pilot in einem Bericht über den Vorfall, berichtete die Zeitung. Der Copilot und eine Passagierin hätten die Beobachtung des Piloten bestätigt. Allerdings habe der Pilot die Beobachtung bei sieben Grad nördlicher Breite und 49 Grad westlicher Länge gemacht, schrieb die Zeitung. Dagegen habe die zu dieser Zeit geschätzte Position der Air-France-Maschine von Rio nach Paris praktisch genau auf dem Äquator und bei 30 Grad westlicher Länge gelegen.

Zudem deuteten die von der Unglücksmaschine automatisch verschickten Fehlermeldungen eher darauf hin, dass es technische Probleme gegeben habe. Dies könne dazu geführt haben, dass der Pilot bei starken Turbulenzen "die Kontrolle über das Flugzeuges wegen Pannen in der Navigation" verloren habe.

Die Pariser Zeitung Le Monde berichtete darüber hinaus, dass der Airbus zuletzt eine "fehlerhafte Geschwindigkeit" über dem Atlantik hatte, die das Flugzeug manövrierunfähig gemacht haben könnte. Die Zeitung beruft sich auf Ermittlerkreise. Airbus werde in Kürze alle seine Kunden ermahnen, dass der A 330 bei bedrohlichen Wetterbedingungen sein optimales Flugtempo nicht verliere.

Inzwischen wurden auch die Meldungen aus dem Unglücksflieger kurz vor dem Absturz veröffentlicht: Die brasilianische Zeitung O Estado de S. Paulo stellte diese in einer Chronik zusammen. Sie zeigt, wie sich die gefährliche Lage innerhalb von wenigen Minuten zugespitzt hat.

Gegen 23 Uhr Ortszeit meldet der Pilot, dass er durch "CBs" fliege - schwarze, elektrisch aufgeladene Wolken, die mit starken Winden und Blitzen einhergehen. Satellitendaten haben gezeigt, dass Gewitterwolken zu dieser Zeit bis zu 160 Stundenkilometer schnelle Sturmböen gegen die Flugrichtung der Maschine schickten.

23.10 Uhr: Eine Flut automatischer Meldungen deuten auf Probleme hin: Autopilot ausgeschaltet, Kontrollen zur Stabilisierung des Flugzeugs ausgefallen, Flugsysteme beeinträchtigt.

23.13 Uhr: Überwachungssysteme, die Geschwindigkeit, Höhe und Flugrichtung angeben, sind ausgefallen. Der Hauptflugcomputer und die Tragflächen-Klappen funktionieren nicht mehr.

23.14 Uhr: Die letzte Meldung deutet auf einen Druckabfall in der Kabine und einen kompletten Systemausfall hin - katastrophale Ereignisse, als das Flugzeug wahrscheinlich bereits in den Ozean stürzte.

Vier Minuten vom Abschalten des Autopiloten bis zum Abfall des Kabinendrucks seien "dann doch eine eher lange Zeit", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. "Das zeigt, dass die Piloten versucht haben, das Problem in den Griff zu bekommen."

Einen Gewitterblitz als Ursache schloss er aus: "Ein Blitzschlag holt kein Flugzeug dieser Größe vom Himmel."

Vielmehr vermuten Experten, dass die Piloten versucht haben könnten, sich mit ihrem Radar durch die Gewitter zu navigieren, einen Weg durch "Löcher" in den Unwetterwolken zu finden - und dabei in eine Falle gerieten, aus der es in bis zu 15 Kilometern sich auftürmenden Wolken keinen Ausweg mehr gab.

Joe Mazzone, ein Pilot, der 23 Jahre für die US-Gesellschaft Delta Airways flog, sagt, die Flugkapitäne beobachteten in der Nacht routinemäßig ihr Radar. Die Gewitterwolken werden auf dem Radar als rote Flecken angezeigt. In einer gefährlichen Gegend wie der nordöstlich der Inseln Fernando de Noronha im Atlantik könnten Stürme aber so plötzlich auftauchen, dass dem Piloten kein Ausweg mehr bleibe, als hindurch zu steuern.

"Du gehst rein, wo man ein Loch vermutet, dann bist du drin und siehst, das alles um dich herum rot ist - da musst du nun durch", erklärt Mazzone. An einem solchen Punkt gebe es keine Rückkehr mehr, weil eine Wende das Flugzeug in dieselben Wetterbedingungen brächte.

Die Suche geht weiter

Unterdessen sind zwei brasilianische Kriegsschiffe in der Region eingetroffen. Darüber hinaus war die Marine noch mit einem Patrouillenboot und einer Korvette in dem Seegebiet im Einsatz. Bis zum Einbruch der Nacht konnte jedoch noch keines der von Flugzeugen georteten Wrackteile gefunden und geborgen werden, teilten Marinevertreter mit.

Drei weitere brasilianische Marineschiffe, darunter ein Tanker, und ein französisches Meeresforschungsschiff, dessen Tauchroboter die Flugschreiber bis zu 6000 Meter tief bergen könnten, sollten in den kommenden Tagen eintreffen.

Sie sollen eine Zone mit einem Radius von 230 Kilometern durchkämmen, die sich in der Nähe der Sankt-Peter-und-Pauls-Felsen, einer winzigen, kahlen und unbewohnten Inselgruppe im Atlantik, befindet. "Es gibt keinerlei Zweifel, dass die Absturzstelle an diesem Ort ist", sagte der brasilianische Verteidigungsminister Jobim.

Keine Hoffnung auf Überlebende

Über die Unglücksursache gibt es nach wie vor nur Spekulationen. Sollten die Flugschreiber nicht gefunden werden, könnte sie möglicherweise nie ganz geklärt werden. Die Chancen, die Flugschreiber auf dem zerklüfteten Meeresgrund zu finden, sind allerdings Experten zufolge gering. Nach Angaben des Ozeanografischen Dienstes der französischen Marine ist der Atlantik im Absturzbereich bis zu 4700 Meter tief. Aus solchen Tiefen wurde laut der französischen Luftfahrtbehörde BEA noch nie ein Flugschreiber geborgen.

Der Airbus A330 mit 228 Insassen an Bord war in der Nacht zu Montag auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris von den Radarschirmen verschwunden. Außenminister Steinmeier hat inzwischen die Angehörigen der 28 deutschen Todesopfer informiert. "Ihn gilt unser ganzes Mitgefühl und unsere Anteilnahme", sagte er.

Die meisten deutschen Opfer kamen nach ergänzenden Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amtes aus Baden-Württemberg. Dort wohnten elf getötete Passagiere. Aus Bayern und Nordrhein-Westfalen kamen jeweils vier Reisende, aus Berlin, Hamburg und Bremen je zwei und aus Hessen einer. Zwei der getöteten deutschen Staatsbürger hätten im Ausland gelebt. Zudem seien fünf Bürger anderer Nationalitäten, die in Deutschland ihren Wohnsitz hatten, bei dem Absturz am Pfingstmontag ums Leben gekommen.

Französische Behörden rechneten nicht mehr damit, Überlebende zu finden. "Außer bei einem Wunder gibt es angesichts der Vielzahl der Wrackteile streng genommen keinerlei Hoffnung auf Überlebende", hieß es aus Ermittlerkreisen. Die Familien von 59 der brasilianischen Opfer schlossen sich zusammen, um die Ermittlungen zu verfolgen, wie ein Vater eines der Opfer der Globo-Onlineausgabe sagte.

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