Air-France-Maschine:Im Blindflug durch die Gewitterzone

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Am Ende war der Bildschirm schwarz: Die Fehlermeldungen der Air-France-Maschine deuten darauf hin, dass vor dem Absturz mehrere Instrumente ausgefallen sind.

Die Diskussion um die Absturzursache dreht sich nun um die Frage, ob möglicherweise die Technik der Air-France-Maschine versagt hat. Im Mittelpunkt stehen die Geschwindigkeitsmesser, die offenbar nicht unter allen Wetterumständen verlässliche Daten liefern.

Den Rauchspuren nach: Derzeit suchen 14 Flugzeuge und 6 Schiffe rund um die Uhr das Absturzgebiet im Atlantik ab. (Foto: Foto: AFP)

In den letzten Minuten des Fluges zwischen 4.10 Uhr und 4.14 Uhr hatte die A330 automatisch 24 Fehlermeldungen an das Wartungszentrum der Air France geschickt. Allerdings lässt sich aus ihnen nicht ableiten, ob das Flugzeug in der Luft auseinanderbrach oder auf das Wasser prallte.

Unterdessen wird immer unwahrscheinlicher, dass das schlimme Unwetter den Absturz der Maschine ausgelöst hatte: Das Wetter war zwar zur Zeit des Absturzes sehr schlecht, aber für die Gegend nicht außergewöhnlich.

Aus den Fehlermeldungen geht hervor, dass die drei Sonden des Fliegers widersprüchliche Geschwindigkeitsdaten angaben. Daraufhin habe sich der Autopilot ausgeschaltet. Mehrfach fielen die Bildschirme in der Pilotenkanzel aus.

Das Flugzeug gab nicht mehr automatisch Gas und der automatische Ausgleich überstürzter Flugmanöver fiel aus. Die Piloten flogen also möglicherweise in der Dunkelheit "blind" durch die Turbulenzen. Schon eine Abweichung bei der Fluggeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern reicht nach Einschätzung von Experten aus, um Flugzeuge unkontrollierbar zu machen.

Hersteller wusste von technischen Problemen

Die Maschine mit 228 Insassen an Bord war auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris in den Atlantik gestürzt. An Bord befanden sich auch 28 Deutsche. Es ist das schwerste Unglück in der 75-jährigen Geschichte der Air France.

Am Wochenende wurde bekannt, dass der Flugzeugbauer Airbus vor dem Absturz der Air-France-Maschine auf technische Probleme bei den Modellen A 330 und A 340 hingewiesen hatte. Der Konzern habe seine Kunden aufgefordert, die Sonden auszuwechseln, die unter anderem Informationen über die Fluggeschwindigkeit liefern. Dies teilte Paul Louis Arslanian, der Chef der französischen Untersuchungsbehörde für Luftfahrtunglücke, mit. Die Maßnahme sei nach Angaben des Unternehmens eingeleitet worden, nachdem es an Airbus-Flugzeugen unterschiedlicher Typen Vereisungsprobleme mit den Sensoren gegeben habe, die die Fluggeschwindigkeit messen.

Bei dem Unglücksflieger der Air France seien die Sensoren laut Arslanien noch nicht ausgetauscht worden. Allerdings müsse das nicht heißen, dass das Flugzeug deshalb unsicher gewesen sei. Nach wie vor sei auch die These der Probleme mit den Geschwindigkeitssensoren reine Spekulation um die Unglücksursache. "Einige der Sensoren sollten ausgewechselt werden", sagte Arslanian. "Das heißt jedoch nicht, dass die Maschine ohne Ersatzteile schadhaft gewesen wäre."

Darüberhinaus hatte Airbus am Donnerstagabend eine Anweisung an Fluggesellschaften herausgegeben, wie sich Piloten bei Schwierigkeiten verhalten sollen. In der Nachricht hieß es, Piloten sollten bei Problemen mit der Geschwindigkeitsanzeige das Tempo konstant halten.

Air France hat sich inzwischen in einer Pressemitteilung zu der Problematik der Sensoren geäußert. Man habe mit dem Austausch von Geschwindigkeitssensoren begonnen. Air France teilte weiter mit, die Vereisungs-Probleme sowohl an Airbus A 330 als auch an A340 seien schon im Mai vergangenen Jahres aufgetaucht. Daraufhin habe man vom Hersteller Airbus Abhilfe gefordert.

Der Flugzeughersteller habe Tests mit anderen Sensoren vorgeschlagen, obwohl es Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme gegeben habe. Air France habe es deshalb abgelehnt, weiter zu warten und von sich seit Ende April mit der Umrüstung begonnen.

17 Leichen geborgen

Eine Woche nach dem Absturz einer Air-France-Maschine über dem Atlantik haben die Rettungskräfte weitere Leichen geborgen. Wie die brasilianische Marine mitteilte, seien in der Nacht auf Montag neben zahlreichen Trümmerteilen neun Tote aus dem Wasser gezogen worden, womit sich die Gesamtzahl auf 17 erhöht. Die ersten Leichen aus dem am Pfingstmontag abgestürzten Airbus A330 waren am Samstag entdeckt worden. Ob ein Deutscher unter den geborgenen Leichen ist, ist noch unklar.

Derzeit suchen 14 Flugzeuge und 6 Schiffe rund um die Uhr das Absturzgebiet rund 1200 Kilometer vor Brasilien ab. Die geborgenen Leichen wurden von der französischen Fregatte Ventôse und der brasilianischen Fregatte Constituição übernommen. Sie sollen auf der Atlantikinsel Fernando de Noronha etwa 350 Kilometer vom Festland entfernt untersucht werden. Anschließend werden die Opfer mit einem Transportflugzeug nach Recife geflogen, wo das rechtsmedizinische Institut sie anhand von Gentests identifizieren soll. Dazu wurden Haar- und Blutproben von Verwandten gesammelt.

Mit Beibooten fischten die Bergungsteams unter anderem Taschen, Laptops, Video- und Fotokameras, Passagiersitze und Plastikteile aus der Kabine aus dem Wasser. Auch mehrere LCD-Bildschirme, über die die Passagiere während des Fluges Filme ansehen können, wurden gefunden. "Wir navigieren durch ein Meer von Trümmern", erklärte Kapitän Giucemar Tabosa Cardoso von der brasilianischen Marine. Allerdings ist weiter unklar, wo das Flugzeugwrack genau liegt, die Trümmer wurden von der Strömung weggetragen.

Die französische Regierung setzt nun ihre Hoffnung auf ein Atom-U-Boot der Marine. Die 74 Meter lange Emeraude soll am Mittwoch im Absturzgebiet rund 1200 Kilometer vor Brasilien eintreffen und mit seinen empfindlichen Messgeräte die Suche nach der Black Box unterstützen.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/hai/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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