Air-France-Absturz:Piloten wollen Airbus boykottieren

Eine Gewerkschaft der Air-France-Piloten fordert neue Instrumente für den Unglücksairbus A330. Im Atlantik sind derweil weitere Leichen geborgen worden.

Aus dem Atlantik sind bislang mindestens 24 von insgesamt 228 Insassen der abgestürzten Air-France-Maschine tot geborgen worden. Das teilte die gemeinsame Einsatzleitung der brasilianischen Marine und der Luftwaffe am späten Montagabend in Recife mit.

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Der brasilianische Luftwaffensprecher Henry Munhoz erklärt auf einer Pressekonferenz, seit Samstag seien 24 Opfer des Flugzeugabsturzes geborgen worden.

(Foto: Foto: AP)

Die Ursache für die größte zivile Luftfahrt-Katastrophe seit 2001 liegt noch im Dunkeln. Die Diskussion dreht sich nun verstärkt um möglicherweise fehlerhafte Geschwindigkeitsmesser. Vor dem Unglück hatten drei der sogenannten Pitotsonden um 50 Kilometer pro Stunde abweichende Werte angezeigt.

Airbus hatte bereits 2007 dazu geraten, die Sonden auszutauschen. Die Empfehlung galt nach Angaben von Air France aber für einen anderen Flugzeugtyp.

Eine Air-France-Gewerkschaft drängt nun die Piloten dazu, sich zu weigern, mit einem Airbus A330 oder A340 zu starten, wenn nicht die externen Geschwindigkeits- und Höhenmesser zuvor ersetzt worden sind. Das geht aus einem Memorandum der Gewerkschaft Alter hervor, der rund zwölf Prozent aller Air-France-Piloten als Mitglieder angehören. In den Mittelpunkt der Ermittlungen zur Absturzursache war die Vermutung aufgetaucht, dass außenliegende Instrumente des Airbus vereist waren und Sensoren daher falsche Informationen anzeigten.

Air France warnte Piloten

Vor technischen Problemen mit den Geschwindigkeitssensoren bei den A330- und A340-Flugzeugen hatte die Fluglinie Air France ihre Piloten schon im vergangenen Jahr gewarnt. Das geht aus einem auf November 2008 datierten Memo hervor, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Darin ist von einer "beträchtlichen Zahl von Zwischenfällen" in Verbindung mit Tempomessern an Airbus A330 und A340 die Rede. Diese seien auf "Anomalien" an den Geräten zurückzuführen.

Das Dokument listet falsche Geschwindigkeitsmessungen, unterschiedliche Tempo-Angaben auf den Kontrollschirmen von Pilot und Kopilot und das Abschalten des Autopiloten auf. Zwei Air-France-Piloten, die nicht namentlich genannt werden wollten, bestätigten die Echtheit des Dokuments.

Unterdessen geht die Suche nach Opfern weiter. Insgesamt wurden am Montag weitere acht Leichen aus dem Wasser geborgen. Sie wurden in einem Seegebiet gefunden, das rund 440 Kilometer nordöstlich der Sankt-Peter-und-Sankt-Pauls-Felsen, einer winzigen, kahlen und unbewohnten Inselgruppe im Atlantik, liegt. Die See ist an dieser Stelle den Angaben zufolge 3500 Meter tief. An Bord des am Pfingstmontag abgestürzten Airbus waren auch 28 Deutsche.

Es werde künftig nicht mehr über gesichtete Leichen informiert, sagte ein Sprecher der Luftwaffe. Erst wenn die Toten auch geborgen worden seien, werde man dies veröffentlichen. Alle Leichen sollen zunächst auf die Insel Fernando de Noronha, etwa 350 Kilometer vom brasilianischen Festland entfernt, und anschließend zur Identifizierung nach Recife gebracht werden.

Die Suche nach dem Flugschreiber habe für die brasilianische Marine keinen Vorrang, sagte ein Sprecher. "Unsere Aufgabe und unsere Priorität ist vor allem, die Leichen und dann die Wrackteile zu bergen." Er verwies zugleich auf ein französisches Atom-U-Boot, das auf dem Weg in das Absturzgebiet im Atlantik ist.

Die Emeraude (Smaragd) hat hochentwickelte Horch- und Sonartechnologie an Bord und soll vor allem die Suche nach dem Flugschreiber unterstützen. Wo sich das U-Boot derzeit befindet, konnte der Marine-Sprecher nicht sagen.

16 der geborgenen toten Passagiere sind bereits an Bord der brasilianischen Fregatte Constituição, die auf dem Weg nach Fernando de Noronha ist. Ein Hubschrauber soll die Leichen das letzte Stück zur Insel fliegen. Die Bergungsmannschaften fanden auch Hunderte Wrackteile und persönliche Gegenstände der Passagiere, darunter Taschen, Laptops, Video- und Fotokameras, Kleidungsstücke und Papiere. Auch Passagiersitze, Plastikteile aus der Kabine und mehrere LCD-Bildschirme, über die die Passagiere während des Fluges Filme ansehen können, wurden gefunden.

Mehr als eine Woche nach dem Absturz der Air-France-Maschine in den Atlantik haben die Suchmannschaften nach Angaben der brasilianischen Luftwaffe außerdem das Seitenleitwerk der Unglücksmaschine geborgen. Der Fund könnte möglicherweise einen entscheidenden Hinweis auf die Absturzursache liefern. Videoaufnahmen auf der Website der Luftwaffe zeigen das Leitwerk mit den blau-roten Streifen von Air-France noch in seiner charakteristischen Dreiecksform und offenbar ohne Brandspuren. Offenkundig wurde es in einem Stück vom Rumpf abgetrennt.

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