Süddeutsche Zeitung

Flutwein:Winzer müssen auf ihr Geld warten

Der verschlammte "Flutwein" aus dem Ahrtal hat Millionen Euro an Spenden eingebracht. Doch die Weingüter haben davon bisher keinen Euro bekommen.

Von Veronika Wulf

Dass die Menschen im Ahrtal nicht aufgeben nach der Flut, zeigte die Initiative "Flutwein". Gegen eine Spende bot sie Weinflaschen an, "limitiert und originalverschlammt", wie es in der Kampagne hieß. Die Idee war gut, die Umsetzung schnell, das Marketing effizient. Etwa 175 000 Flaschen wurden verschickt, sie gingen nach ganz Europa, nach Japan, nach Neuseeland, nun sind kaum mehr welche übrig.

Knapp 4,5 Millionen Euro kamen auf dem Konto des eigens dafür gegründeten gemeinnützigen Vereins zusammen. Und da liegen sie nun, Monate später, immer noch. Zusammen mit den 2,5 Millionen Euro, die durch Spenden und Solidaritätsweine aus anderen Regionen hinzukamen. Die Winzer haben davon bisher keinen Euro bekommen.

Die Spenden sollten beim Wiederaufbau helfen und die Familienbetriebe im Weinbau, der Gastronomie und dem Tourismus dabei unterstützen, ihre Häuser wiederaufzubauen, neue Geräte zu besorgen. "Doch ein gemeinnütziger Verein darf keine Wirtschaftshilfe leisten", sagt Martin Georgi, Vorsitzender des Deutschen Fundraising-Verbands. Heißt: Spenden dürfen nicht an Unternehmen gehen. So steht es in der Abgabenordnung und im Katastrophenerlass der Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Letzterer schafft zwar die Möglichkeit, dass Betroffene bis zu 5000 Euro Soforthilfe bekommen, allerdings nur Einzelpersonen. "Selbst wenn die Winzerbetriebe von Versicherungen und vom Staat einige Gelder erhalten, ist bei den meisten der Schaden deutlich höher als 5000 Euro", sagt Georgi.

Einer dieser Winzer ist Peter Kriechel vom gleichnamigen Weingut in Ahrweiler, seine Familie baut seit 1555 Wein an. Eine halbe Million Euro, schätzt er, bliebe seinem Betrieb als Schaden nach den Zahlungen von Versicherung und Staat. Kriechel hat nicht nur die Initiative "Flutwein" mitgegründet, sondern ist auch eine Art Sprecher der Weinbauern im Ahrtal geworden. Noch immer gibt er ständig Interviews, nach wenigen Minuten Telefonat muss er den Apparat wechseln, Akku leer. Er selbst scheint noch Energie zu haben, obwohl er bereits seit Monaten dafür kämpft, dass er und seine Kollegen wieder auf die Beine kommen.

"Es werden weitere Katastrophen kommen"

Zusammen mit der Gastronomin Linda Kleber, die ihr Restaurant durch die Flut verloren hat, und Daniel Koller von SevenOne Entertainment, der sich mit Marketing und Kommunikation auskennt, sammelte er die Schlammflaschen von etwa 25 Kollegen zusammen, damit die Keller wieder leer waren für die neue Lese.

Jetzt will Kriechel erreichen, dass die Spenden endlich bei den Winzern ankommen, er fordert, was die Politik direkt nach der Flut versprochen hat: "eine unbürokratische, direkte Hilfe." Er und Georgi vom Fundraising-Verband kämpfen dafür, dass Spenden auch an betroffene Unternehmen gehen dürfen. "Hier sollte die Politik eine Ausnahme machen: Es ist eben kein Alltag, wenn ganze Dörfer weggespült werden", sagt Georgi. Und auf längere Sicht sollten auch bundesweit die Gesetze angepasst werden. "Es werden weitere Katastrophen kommen", sagt Kriechel. "Dann muss man besser vorbereitet sein."

Das Problem betrifft nicht nur Flutwein, sondern auch andere, mitunter größere Organisationen, etwa die Aktion Deutschland Hilft, die 278 Millionen Euro Spenden für die Menschen in den Hochwassergebieten gesammelt hat. "Durch die Flutkatastrophe wurde erneut deutlich, dass die Rechtsgrundlagen in Deutschland leider keine schnellen Handlungen zulassen", sagt die geschäftsführende Vorständin des Aktionsbündnisses. Sie plädiert für den neuen Zweck "Katastrophenhilfe" im Gemeinnützigkeitsrecht. "Hier könnte man festhalten, dass - bis zu einem bestimmten Betrag - Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen an Spenden partizipieren können."

Sind die Weine "geringfügige Dankeschöns" oder Waren?

Dass es im Kleinen schon klappen kann, hat die Hilfsorganisation "Landsaid" gezeigt, die ebenfalls für das Ahrtal gesammelt hat: Ein Finanzamt hat ihre Projektanträge separat geprüft und per Sondergenehmigung bewilligt, dass sie Spenden an Winzer auszahlt.

Beim Flutwein geht es aber auch um die Frage: Sind die Schlammflaschen "geringfügige Dankeschöns" für eine Spende, wie Kriechel es sieht, oder Käufe, wie die Behörden es sehen. Dann müssten sie versteuert werden, und gut die Hälfte des Geldes ginge ans Finanzamt. Das könne nicht im Interesse der Politik sein, meint Georgi. "Wenn die Betriebe jetzt durchhalten, auch dank dieser Spenden, und bald wieder ihre Weinernte machen können, dann ist da weit mehr für die Steuer zu erwarten als durch dieses Hickhack um ein paar Spenden."

Hatten die Betriebe die Spenden denn schon fest eingeplant? "Klar", meint Kriechel. Und die 4,5 Millionen seien viel mehr als sie je erwartet hätten. Doch die Kampagne habe noch etwas viel Wertvolleres gebracht: 47 500 Unterstützer. "Da sind Leute, die denken an uns, die geben uns Hoffnung, die vergessen uns nicht", sagt er. "Das ist für uns noch wertvoller gewesen als der harte Euro." Nur kann er sich davon leider keine neuen Maschinen kaufen.

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