Afrika:Schmutzige Geschäfte im Ferienparadies

An Afrikas Touristenstränden boomt die Kinderprostitution. Eine neue Unicef-Studie zeigt erschreckende Zahlen auf.

Jeanne Rubner

Annie gehört nicht zu den Ärmsten der Armen, ihre Eltern können Miete und Stromrechnung zahlen und es gibt genug zu essen. Trotzdem, die 15-Jährige bietet in Strandhotels Männern ihre Dienste an.

Strand, Prostitution

Kinder am Strand - In Afrika Kinderprostitution ein großes Problem

(Foto: Foto: AP)

Kenianer zahlten zwischen drei und acht Dollar, sagt Annie, je nachdem, welche Wünsche sie ihnen erfüllt. Touristen legen das Dreifache hin. Annie braucht das Geld für sich und ihr elf Monate altes Baby, zumindest glaubt sie, dass sie es braucht.

Annie ist eines von schätzungsweise 15.000 Mädchen, die sich in kenianischen "Ferienparadiesen" prostituieren. In der Küstenregion verkauft jede dritte Minderjährige über zwölf Jahre ihren Körper, so die erschreckende Bilanz einer neuen Studie des Kinderhilfswerks Unicef.

Viele tun es, weil sie bettelarm sind, etliche kommen aus dem Hinterland ans Meer, weil sie dort einfacher Freier finden. Sie leben mit anderen Mädchen in Massenquartieren, viele von ihnen sind Aids-Waisen.

Manche wollen sich auch nur ein Taschengeld verdienen wie Annie, die noch zur Schule geht und deren Eltern nichts davon wissen. Vielleicht schauen sie auch einfach weg. Der Zusammenbruch der Familien und dörflicher Gemeinschaften, Korruption sowie unfähige Behörden führten zu der dramatischen Zahl von Kinderprostituierten, heißt es in der Unicef-Studie.

Viele Deutsche unter den Freiern

Das schmutzige Geschäft an Kenias Küste läuft auch deshalb so gut, weil viele Kenianer es tolerieren und selbst Kunden sind. Vier von zehn Freiern sind Einheimische. Die anderen kommen fast alle aus Europa, Kenia ist ein beliebtes, weil billiges Reiseziel.

Und viele sind Deutsche: Jeder siebte Freier stammt aus der Bundesrepublik, nur die italienischen Touristen haben noch häufiger Sex mit Kindern. Sowohl Deutsche als auch Italiener bestehen besonders oft auf Geschlechtsverkehr ohne Kondom.

"Zum ersten Mal gibt eine Untersuchung so detailliert Auskunft", sagt Rudi Tarneden von Unicef in Köln. Sogar die Preise sind aufgelistet - umgerechnet zehn bis 50 Euro, Analverkehr kostet bis zu hundert Euro.

Schmutzige Geschäfte im Ferienparadies

Pervers ist, dass unter Zwölfjährige besonders billig zu haben sind. Etwas Positives kann Tarneden der Untersuchung abgewinnen: Kenias Regierung war daran beteiligt. "Eine schockierende Realität" nannte Vizepräsident Moody Awori den Report.

Immerhin, ein Eingeständnis. Aber ein spätes. Bislang gilt Kenia - neben Thailand und Kambodscha - als eines der weltweiten Paradiese für Pädophile. Behörden seien dort kaum sensibilisiert, kritisiert Mechthild Maurer vom deutschen Büro der internationalen Organisation Ecpat ("End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficing of Children for Sexual Purposes").

Nur wenige Hotels ohne Prostitution

Polizisten seien häufig Komplizen der Täter, oft würden aufgegriffene Mädchen ins Gefängnis gebracht und dort gleich nochmal vergewaltigt. Und nur wenige Hotels an Kenias Küste machen bisher bei einer Aktion von Ecpat mit, für die sie sich freiwillig verpflichten müssen, Kinderprostitution in ihrem Etablissement nicht zu fördern.

Zehn Jahre nach dem ersten Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist zu wenig geschehen, hat Ecpat kürzlich bilanziert. Kinder und Jugendliche seien trotz damals angekündigter Programme weiterhin sexueller Gewalt ausgesetzt, Verbrechen würden viel zu selten geahndet.

Das gilt auch für Deutschland. Zwar können seit 1993 Täter, die im Ausland Kinder missbrauchen, auch hier vor Gericht gestellt werden. "Aber das geschieht nur ganz selten, und wenn, dann werden viele Männer freigesprochen", sagt Mechthild Maurer.

Täter aus allen Milieus

Etwa 30 deutsche Strafverfahren verfolgt ihre Organisation derzeit - und Maurer kann das Klischee widerlegen, dass nur der bierbäuchige Kegelbruder kleine Thailänderinnen missbraucht. Die Täter kommen aus allen Milieus, es sind Junge und Alte.

Oft sind sie schon in Deutschland straffällig geworden, wegen sexuellen Missbrauchs oder Vergewaltigung. Doch der Föderalismus mache die Strafverfolgung schwierig, weil die Datenbanken der Bundesländer teilweise nicht kompatibel seien, klagt Maurer. Noch nicht einmal das Bundeskriminalamt und das Justizministerium wüssten, wie viele Anklagen tatsächlich laufen.

Viele mögen sich empören, manche sich engagieren - Annie und ihren Leidensgenossinnen hat das bisher wenig geholfen. Das liegt auch daran, heißt es bei Unicef, dass Kenias Küstenbewohner trotz des Tourismusbooms noch immer bettelarm sind. Und von der Ausbeutung besonders betroffen sind die Mädchen.

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