Affäre um Street Art in Melbourne:"Banksy würde sich totlachen"

Ein Bürgermeister in Erklärungsnot, verzweifelte Anwohner: In Melbourne ist das Geschrei groß, seit die Straßenreinigung eine Ratte des Graffiti-Stars Banksy überpinselt hat.

Katarina Lukac

Letzte Woche war die Welt in Melbourne noch in Ordnung: Bürgermeister Robert Doyle ließ sich in der Tageszeitung The Age vor einem Graffito seiner selbst ablichten und lobte nebenbei Straßenkunst als "eine legitime Äußerung künstlerischer Absichten". Das Foto wurde in der engen Hosier Lane im Stadtzentrum aufgenommen, die sich dank ihrer vielen bunten Graffitis zur Touristenattraktion entwickelt hat.

Banksy, Graffiti, Reuters

Diese Banksy-Ratte ziert eine Hauswand in den USA - ihre australische Schwester, die mit einem Fallschirm unterwegs war, ist wohl für immer verloren.

(Foto: Foto: Reuters)

In derselben Gasse hat die Straßenreinigung wenige Tage später an einer unerlaubten Stelle ein Graffito in DinA4-Größe überpinselt, das ausgerechnet der weltbekannte britische Straßenkünstler Banksy gesprüht hatte. Seitdem ist nichts mehr in Ordnung in Australiens Hauptstadt der Street Art, wie der britische Guardian Melbourne einmal auszeichnete.

Anwohner und Street-Art-Fans trauern um Banksys Fallschirm springende Ratte. Vor zwei Jahren fiel bereits sein "Kleiner Taucher" Vandalismus zum Opfer - er wurde durch eine Plexiglas-Replik ersetzt, die Anwohner finanziert hatten. Die nun verschwundene Ratte soll das letzte übrig gebliebene Banksy-Schablonengraffito in der Stadt sein, von denen er 2003 bei seinem letzten Besuch auf dem Kontinent etliche hinterließ.

"Ist Ihnen klar, dass Sie soeben einen Banksy überstrichen haben?", fragte Anwohnerin Kerry Butcher die Putz-Crew nach Angaben der Zeitung The Age: Diese hätten geantwortet, sie täten nur, was ihnen aufgetragen worden sei.

"Das ist meine Gasse und dank der Graffitis eine Touristenattraktion, die bis zu Tausend Menschen täglich besuchen," sagte Butcher weiter. "Es ist enttäuschend, dass der Stadt mehr daran gelegen ist, Straßenkunst zu entfernen anstelle von Müll und echten Ratten."

"Kontakt durch Hintermänner aufnehmen"

Den Bürgermeister mit dem weltoffenen Image hat die Panne in Erklärungsnot gebracht: In der Zeitung Herald Sun bemühte sich Doyle um Schadensbegrenzung und kündigte an, das Graffito mit öffentlichen Geldern ersetzen zu lassen - wenn möglich vom Künstler selbst: "Es ist eine Überlegung wert, durch Hintermänner Kontakt zu Banksy aufzunehmen." Wenn er nach Melbourne käme oder sich dort aufhalte, könne man ihm einen Vorschlag unterbreiten.

Die Ursache für Doyles konspiratives Angebot ist Banksys rätselhafte Identität. Der in Bristol geborene Künstler ist noch nie öffentlich aufgetreten. Bei Auktionen erzielen seine Werke, die auch bei Hollywoodstars begehrt sind, inzwischen Zehntausende Dollar.

Der Melbourner Kunstaktivist Andy Mac amüsiert sich indessen über die kulturpolitische Posse: Straßenkunst sei nun einmal von Natur aus kurzlebig, sagte er The Age in einem Interview. Banksy mache auf die Probleme und den Wahnwitz unserer Gesellschaft aufmerksam. Dass jetzt Stadtpolitiker herumrennen und erklären müssten, wie sie es geschafft hätten, ein Banksy-Werk auszulöschen, das sie eigentlich bewahren wollten - "diese Art von Situation fände er zum Totlachen."

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